Die HERMANN MARWEDE wird 20!
Zeit für einen Blick ins Logbuch.

Besonderer Geburtstag für die Seenotretter im Herzen der Deutschen Bucht: Vor 20 Jahren, am 27. Juni 2003, wurde die HERMANN MARWEDE getauft. Von Helgoland aus sorgt der größte Seenotrettungskreuzer der DGzRS für die Sicherheit der Menschen auf den Großschifffahrtswegen im berüchtigten „nassen Dreieck“ von Jade, Weser und Elbe. Er gehört zu den leistungsfähigsten Seenotrettungseinheiten der Welt.

Foto: Helmut Hofer

Für die Seenotretter der HERMANN MARWEDE um Vormann Thilo Heinze wird der zwanzigste Jahrestag der Taufe zwar ein besonderer Tag mit Gelegenheit zur Rückschau sein. Doch auch an diesem Tag steht der Such- und Rettungsdienst an erster Stelle: Wie stets werden die Besatzungsmitglieder auf ihrem Posten sein, wenn das „Mayday“, der Notruf, reinkommt, um dann genauso selbstverständlich und knapp wie alle Jahre mit „Wir kommen …“ zu antworten – bei jedem Wetter, rund um die Uhr.

Die 46 Meter lange und 9.250 PS starke HERMANN MARWEDE und ihr Tochterboot VERENA sind die konsequente Weiterentwicklung vorhergehender Seenotrettungskreuzer-Generationen. Die Rettungseinheit ersetzte 2003 auf der DGzRS-Station Deutsche Bucht/Helgoland die 1978 gebaute 44 Meter lange WILHELM KAISEN. Die HERMANN MARWEDE wurde bei der Fassmer-Werft in Berne an der Unterweser gebaut, das erste Tochterboot bei der benachbarten Lürssen-Werft in Bremen-Vegesack. Mit der Namengebung erinnert die DGzRS an den langjährigen Gesellschafter der Brauerei Beck & Co., dessen Familie mit einer großzügigen Spende den Bau ermöglichte. Das Tochterboot trägt den Name der Tochter Marwedes.

Foto: epd-Bild, Phillipp Steiner
Foto: Peter Neumann, ypscollection.de

Zuhause vor dem Wahrzeichen Helgolands, der langen Anna  (1), vor der Elbphilharmonie am Hamburger Hafengeburtstag (2) oder auf hoher See (3): Die HERMANN MARWEDE ist stets einsatzbereit.

Die HERMANN MARWEDE ist auch für Großschadenslagen auf See ausgelegt. Sie verfügt unter anderem über eine besonders leistungsstarke Feuerlöschanlage (Förderleistung 42.000 Liter Seewasser pro Minute), die auch mit Schaummitteln betrieben werden kann. Das umfangreich ausgestattete Bordhospital ist – wie auf allen Seenotrettungskreuzern – vergleichbar mit der Ausstattung eines Rettungswagens an Land, aber deutlich geräumiger als auf kleineren DGzRS-Einheiten.

Ferner ermöglicht ein 72 Quadratmeter großer Mehrzweckraum die Aufnahme vieler Schiffbrüchiger gleichzeitig oder Transport und Vorbereitung spezieller Ausrüstung. Ein Hubschrauberarbeitsdeck erleichtert die Zusammenarbeit bei Windenmanövern mit den großen Rettungshubschraubern der Deutschen Marine.

So einzigartig wie die HERMANN MARWEDE in der DGzRS-Flotte ist, bleibt sie letztlich ein Glied in der dichten Kette der 55 Rettungsstationen zwischen Borkum und Ueckermünde. Im Einsatzfall, das zeigt ein Blick ins Logbuch, kommt es immer wieder auf die optimale Zusammenarbeit aller beteiligten Rettungseinheiten an.

So wie nach wie vor die gesamte Arbeit der DGzRS wurde auch der Bau der HERMANN MARWEDE ausschließlich durch freiwillige Zuwendungen finanziert. Das ist heute nicht anders als schon zur Zeit der Gründung der DGzRS vor 158 Jahren. 

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Fünfeinhalb Mal um die Welt

  • 600 Einsätze hat die HERMANN MARWEDE gefahren – für Seeleute, Fischer, Fährpassagiere und den Wassersport auf den am stärksten befahrenen Seeschifffahrtstraßen der Welt.
  • 120.000 Seemeilen stehen im Logbuch. Das entspricht etwa fünfeinhalb Erdumrundungen.
  • 2,5 Jahre sind die drei 9.250 PS starken Hauptmaschinen insgesamt gelaufen, um die HERMANN MARWEDE schnell und sicher zu bewegen.
  • 2 Tochterboote waren an Bord: 2012 erhielt die HERMANN MARWEDE die neue 32 Knoten schnelle VERENA. Die erste VERENA fährt seitdem eigenständig als WALTER ROSE.
  • 72 Quadratmeter groß ist der Mehrzweckraum auf dem durchgängigen SAR-Deck – für zusätzliches Material und Personal bei größeren Einsätzen.
  • 280 Badewannen könnten die großen Feuerlöschmonitore füllen – alle 60 Sekunden. Die Anlage fördert nahezu 42.000 Liter Seewasser pro Minute.

Drei Fragen an …
Dominik Holtmeier
Maschinist auf der Station Deutsche Bucht/Helgoland

Du bist der einzige Seenotretter der heutigen Besatzung, der vor 20 Jahren bei der Taufe der HERMANN MARWEDE dabei gewesen ist. Welche Erinnerung hast Du daran?
Es war eine sehr familiäre und schöne Veranstaltung, die mir nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist. Schließlich ist eine Taufe eines Seenotrettungskreuzers für uns Rettungsleute etwas sehr Besonderes mit Seltenheitswert. Und ich kann mich noch sehr genau an dem Moment erinnern, als wir mit dem Vorgängerschiff, der WILHELM KAISEN, auf der Weser vor der Werft um die Ecke gebogen sind und ich das erste Mal die HERMANN MARWEDE gesehen habe. Es war ein imposanter Anblick, wie sie da hoch und trocken an Land lag. Gegenüber der WILHELM KAISEN hat sie ein zusätzliches Deck. Auch die Technik im Inneren war komplett anders. Auf der WILHELM KAISEN war noch alles analog, auf der HERMANN MARWEDE schon damals alles digital. Am Anfang haben wir immer ganz fasziniert auf die elektronische Seekarte geschaut. So etwas kannten wir bis dahin gar nicht, das war vor 20 Jahren Neuland.

Wie ging es nach der Taufe weiter?
Eine Woche später haben wir in Wilhelmshaven die HERMANN MARWEDE erstmals einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt. Es waren Menschenmassen gekommen, um sich den neuen Seenotrettungskreuzer anzusehen. Das große Interesse hat mich schon sehr beeindruckt. Es macht mir nach wie vor unheimlich viel Spaß, unsere Gäste über die HERMANN MARWEDE zu führen, ihnen die Technik zu erläutern und von unserer Arbeit zu berichten. In den ersten Wochen nach der Taufe mussten wir uns erst einmal intensiv mit der neuen Navigations-, Kommunikations- und Maschinentechnik auseinandersetzen, die erweiterten Möglichkeiten kennenlernen und uns an das andere Seegangsverhalten gewöhnen. Die HERMANN MARWEDE war gegenüber der WILHELM KAISEN einfach ein riesiger Schritt nach vorn. Es war für uns alle eine sehr spannende, gleichzeitig auch herausfordernde Zeit.

Welche Ereignisse aus den vergangenen Jahren sind Dir besonders im Gedächtnis geblieben?
Viele! Im Juli 2010 gab es beispielsweise einen sehr eindrucksvollen Downburst über der Helgoländer Nachbarinsel Düne. Eine solche Wolkenformation hatte ich bis dahin noch nie gesehen. Diese mächtige Gewitterfallböe sah aus wie ein riesiges aufgerissenes Maul. Wir haben damals mit dem Tochterboot VERENA Feuerwehrleute und Rettungskräfte von der Hauptinsel zur Düne gebracht, weil zunächst mit einer großen Zahl Verletzter gerechnet worden war. Doch zum Glück waren es am Ende nicht mal eine Handvoll, die medizinisch versorgt werden mussten. Etwa eineinhalb Jahre später, im Dezember 2011, brach an Bord des 133 Meter langen ägyptischen Frachters „Abu Rdees“ ein Brand aus. Wir haben fünf Seeleute mit Verdacht auf Rauchgasinhalation übernommen, medizinisch versorgt und nach Cuxhaven gebracht. Glücklicherweise war das Feuer schnell unter Kontrolle. Und dann erinnere ich mich noch sehr lebhaft an einen Einsatz für einen Mann, der im Juni 2021 auf Helgoland von einer Pier in die 13 Grad kalte Nordsee gefallen war. Seine Schreie hörte die Besatzung eines Kreuzfahrtschiffes, die uns sofort alarmierte. Mit dem Tochterboot haben wir den Mann gerettet. Er hat unheimliches Glück gehabt: Wäre es wenige Minuten später passiert, wäre das Passagierschiff bereits weg gewesen und niemand hätte vermutlich seine Schreie gehört. Mit dem Ebbstrom wäre er höchstwahrscheinlich auf die offene See hinausgetrieben. In solchen Momenten weiß ich, warum ich Seenotretter bin.

„Die HERMANN MARWEDE war gegenüber der WILHELM KAISEN
einfach ein riesiger Schritt nach vorn.“

Dominik Holtmeier

Bildergalerie Seenotrettungskreuzer HERMANN MARWEDE

Aus dem Logbuch der HERMANN MARWEDE

  • August 2006 – Verpuffungen und lodernde Flammen auf dem hölzernen Segelkutter „Sueno“: Für die beiden Männer an Bord ist das bei Nacht vor der nordfriesischen Küste eine ausweglose Situation. Nur knapp gelingt es ihnen, einen Notruf abzusetzen, bevor die Funkanlage versagt. Doch die Seenotretter sind schon unterwegs: In stürmischen Winden fährt das Tochterboot VERENA der HERMANN MARWEDE zahlreiche Anläufe und birgt die beiden Männer erfolgreich ab.
  • Oktober 2006 – Auf einem Containerfrachter in der Deutschen Bucht geht ein russischer Seemann über Bord. Zusammen mit zwei weiteren Seenotrettungskreuzern geht die HERMANN MARWEDE bei Windstärken um zehn Beaufort (über 100 km/h Windgeschwindigkeit) auf Suchfahrt. Gemeinsam gelingt das scheinbar Unmögliche: Die BERNHARD GRUBEN rettet den Schiffbrüchigen. Welcher Seenotrettungskreuzer ihn rausgeholt hat, spielt letztlich keine Rolle. Gemeinsam haben die Seenotretter dem Blanken Hans in stundenlangem kraftraubendem Einsatz mit knapper Mühe ein Leben entrissen.
  • Mai 2007 – Seenotretter als Segler: Südlich von Helgoland birgt die HERMANN MARWEDE einen Wassersportler nach einem Zusammenbruch von einer Segelyacht ab. Die Seenotretter übernehmen den 39-jährigen Patienten und versorgen ihn im Bordhospital der HERMANN MARWEDE. Da die verbliebenen beiden Crewmitglieder allein nicht weitersegeln können, übernimmt ein Seenotretter das Ruder der neun Meter langen Yacht und segelt sie nach Helgoland.
  • Dezember 2011 – 37 Mann Besatzung sind an Bord des 133 Meter langen ägyptischen Frachters „Abu Rdees“, als auf der Außenelbe an Bord ein Brand ausbricht. Der Seenotrettungskreuzer HERMANN HELMS bringt Feuerwehrleute zum Havaristen, um den Brand zu bekämpfen. Die HERMANN MARWEDE übernimmt fünf Seeleute mit Verdacht auf Rauchgasinhalation und bringt sie, betreut von einem Notarzt, nach Cuxhaven. Das Feuer ist schnell unter Kontrolle. Der Frachter darf weiterfahren. Aufatmen an Bord – und ein großes „Thank you!“ an die Seenotretter.
  • August 2012 – Auf dem Forschungsschiff „Heincke“ geht östlich von Helgoland ein Seemann über Bord. Mehr als 14 Stunden lang suchen unter der Führung der HERMANN MARWEDE drei weitere Seenotrettungskreuzer, mehr als 20 weitere Schiffe und insgesamt vier Hubschrauber nach dem Schiffbrüchigen – ohne ihn lebend finden zu können; die See bleibt einmal mehr stärker.
  • Dezember 2012 – Nach den guten Erfahrungen mit dem Tochterboot NOTARIUS des 36,5-Meter-Seenotrettungskreuzers HARRO KOEBKE beschafft die DGzRS auch für die HERMANN MARWEDE ein solches modernes Festrumpfschlauchboot mit geschlossener Kajüte als Tochterboot. Es erhält ebenfalls den Namen VERENA, ist mit zwei Jetantrieben ausgerüstet, äußerst manövrierfähig, sehr seetüchtig und 34 Knoten (ca. 63 km/h) schnell. Das erste Tochterboot der HERMANN MARWEDE kommt unter dem neuen Namen WALTER ROSE zunächst auf der Freiwilligen-Station Schilksee an der Kieler Förde zum Einsatz, seit 2019 wird es für die praktische Aus- und Fortbildung der Seenotretter im Trainingszentrum in Neustadt in Holstein und als Springer genutzt.
  • November 2017 – Im Maschinenraum des Windparkschiffes „World Calima“ bricht Feuer aus, 18 Seemeilen nordwestlich von Helgoland. Die Besatzung verschließt den Maschinenraum und flutet ihn mit Kohlendioxid. Währenddessen eilt die HERMANN MARWEDE zu dem nun manövrierunfähigen Crew Transfer Vessel (CTV). Die Seenotretter übernehmen acht Windparktechniker und schleppen den Havaristen nach Helgoland. Die Techniker und fünf Besatzungsmitglieder bleiben unverletzt.

  • Mai 2019 – Der Fischkutter „Stella Polaris“ aus Büsum droht in der Nordsee zu sinken. Sieben Seemeilen nördlich von Wangerooge dringt viel Wasser in den 18-Meter-Kutter ein. Die Fregatte „Nordrhein-Westfalen“ setzt Marinesoldaten über, um die zwei Fischer bei der Leckabwehr zu unterstützen. Der HERMANN MARWEDE gelingt es mit ihren starken Lenzpumpen, das Wasser nicht weiter steigen zu lassen. Die Seenotretter nehmen den gefährdeten Kutter längsseits in Schlepp. Gegen 2 Uhr nachts trifft der Verband – zwischenzeitlich begleitet vom Seenotrettungskreuzer HERMANN RUDOLF MEYER/Station Bremerhaven und einem Behördenschiff – sicher in Wilhelmshaven ein.
  • März 2020 – Zwölf Seemeilen nördlich von Helgoland treibt am frühen Morgen ein hilfloser Fischkutter. Die beiden Fischer melden Maschinenausfall nach Kurzschluss. Ihr 15-Meter-Kutter droht bei etwa drei Knoten Strom in einen Windpark zu treiben. Die HERMANN MARWEDE legt sofort ab. Ein in der Nähe befindlicher anderer Kutter läuft zur „Martje“ und nimmt sie auf den Haken, um sie auf Position zu halten. Die HERMANN MARWEDE übernimmt den Havaristen und schleppt ihn sicher nach Helgoland.
  • Juni 2021 – Kurz vor 3 Uhr in der Nacht alarmiert ein Passagierschiff auf Helgoland Reede die Seenotretter. Die Crew hat Schreie gehört – im Wasser. Das Tochterboot VERENA der HERMANN MARWEDE ist innerhalb weniger Minuten vor Ort. Die Seenotretter finden und retten einen stark unterkühlten Mann aus der 13 Grad Celsius kalten Nordsee. Er war offenbar von der Pier gestürzt. Das Passagierschiff lichtet die Anker. Hätte sich das Unglück nur wenig später ereignet, wäre der Mann wohl nicht gehört worden und mit dem Ebbstrom auf die offene See hinausgetrieben
  • November 2021 - Auf einer Segelyacht stürzt ein Mann 15 Seemeilen nördlich Langeoog bei starken Winden und zweieinhalb Metern Seegang. Seine beiden Mitsegler alarmieren die Seenotretter. Der 61- jährige Skipper ist lebensbedrohlich verletzt. Die HERMANN MARWEDE sowie ein Rettungshubschrauber mit Notarzt nehmen Kurs auf die Yacht, doch wegen des Wetters kann der Arzt nicht auf der Yacht abgesetzt werden. Stattdessen werden er und ein Sanitäter auf den Seenotrettungskreuzer abgewinscht. Die Rettungsleute übernehmen und versorgen den Patienten im Bordhospital und begleiten den Havaristen in die Jademündung. 
  • August 2022 – Ein kleines Schlauchboot kentert gegen 21.50 Uhr bei einbrechender Dunkelheit nordwestlich der Helgoländer Nachbarinsel Düne. Es droht, Richtung offene See abzutreiben. Die zwei jungen Männer an Bord können noch per Handy Bekannte an Land benachrichtigen. Die Seenotretter der HERMANN MARWEDE lassen das Tochterboot VERENA zu Wasser und sind bereits sechs Minuten später vor Ort. Sie retten die beiden Schiffbrüchigen, von der Spitze des kaum noch aus dem Wasser ragenden Schlauchboot-Rumpfes.

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Mit kleinen Spenden Großes schaffen! Jahr für Jahr sind die Seenotretter etwa 2.000 Mal auf Nord- und Ostsee im Einsatz – rund um die Uhr und bei jedem Wetter. Die Seenotretter benötigen dafür modernste Technik und äußerst seetüchtige, besonders leistungsfähige Schiffe, um die Risiken so gering wie möglich zu halten. Wenige Neubauten werden vor ihrer Indienststellung so „auf Herz und Nieren“ getestet wie unsere Rettungseinheiten.

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Ralf Baur

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