Ralf Baur

Ralf Baur

Detlef Röhr ist mehr als sein halbes Leben für die Seenotretter ehrenamtlich aktiv: Seit 1981 löscht der heute 73-Jährige in Berlin die Ladung mehrerer Sammelschiffchen, zudem informiert er auf Veranstaltungen und Messen.

Wenn Detlef Röhr über den Ursprung seiner großen Affinität zur Seefahrt spricht, erzählt er eine besonders prägende Episode aus seiner Kindheit: Sein Onkel Gerd arbeitet als Pförtner am Autoverladehafen in Bremerhaven und nimmt ihn immer wieder dorthin mit. An einem Tag bittet er seinen Neffen, auf einem norwegischen Frachter den deutschsprachigen Maschinisten zu suchen und diesen zum Pförtnerhaus zu bringen. Wenig später setzt der Junge aus Berlin-Neukölln erstmals einen Fuß auf ein derart großes Schiff, nimmt den ersten Eingang, geht ein paar Schritte. Er schaut erst nach rechts, dann nach links. Er weiß nicht, wohin er gehen muss. Das schier endlose Gewirr von Niedergängen, Decks und Gängen ist für ihn unübersichtlich. Dennoch steht er fasziniert im Bauch des Autofrachters. Irgendwann findet er den Weg in den Maschinenraum, staunt über die riesigen Motoren, findet und informiert den gesuchten Seemann. Mit dessen Hilfe schafft er es wieder nach draußen. Dort verschluckt ihn das geschäftige Treiben des Hafens, das er so liebt.

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Detlef Röhr bei seiner ersten Veranstaltung 1993. Er mag den intensiven Austausch mit den Gästen am Informationsstand der Seenotretter.
Detlef Röhr (M.) mag den intensiven Austausch mit den Gästen am Informationsstand der Seenotretter; links steht Pressesprecher Christian Stipeldey.

Auf den Kais in Bremerhaven und Bremen ist Detlef Röhr als Junge oft unterwegs. Immer, wenn der heute 73-Jährige dort seine Verwandten besucht und sie ihn zu den pulsierenden Umschlagsplätzen an der Weser mitnehmen. Er sieht Schiffe ein und auslaufen, sieht den Stauern zu, wie sie die Frachter be- und entladen. Er saugt alles begierig auf, nimmt seine Eindrücke mit nach Hause – und setzt in seinem Kinderzimmer irgendwann große Pötte en miniature zusammen. Auch sein segelnder Vater „ist vernarrt in die See“: Sein Ölgemälde der Viermastbark „Pamir“ zeugt noch heute davon.

Bald möchte Detlef Röhr selbst mit großen Schiffen die Weltmeere befahren. Doch seine Gesundheit lässt den großen Traum platzen – er ist nicht seediensttauglich und muss an Land bleiben. Er wird Technischer Zeichner, bildet sich fort, leitet schließlich bis zu seiner Rente als staatlich geprüfter Techniker eine Vielzahl von Projekten in der Klima- und Lüftungsbranche und sagt: „Ich hatte ein erfülltes Berufsleben.“ Dennoch verschwindet seine Sehnsucht nach der See nie. In den 1990er-Jahren „heuert“ er im Sommer einige Male auf Containerfrachtern an, reist als Passagier nach Nordeuropa. „Es war herrlich. Die sieben Tage auf dem Schiff fühlten sich wie drei oder vier Wochen Urlaub an. Meine Frau sagte immer zu mir: ‚Du bist so herrlich entspannt, wenn du wieder da bist.‘“

Die Seenotretter kommen viele Jahre davor in sein Leben, als sein Onkel ihm als Kind ein Jahrbuch in die Hand drückt. Wann genau das war, kann Detlef Röhr nicht mehr sagen. Woran er sich jedoch noch sehr präzise erinnert: Sein Interesse an den Rettungsleuten wächst mit jeder Zeile, die er liest – Modelle von Seenotrettungskreuzern mischen sich mit der Zeit unter seine anderen Schiffsnachbauten. Als Erwachsener bleibt er schließlich an einem Artikel hängen, über den die DGzRS Ehrenamtliche an Land sucht. Er will sich einbringen, überzeugt seine Frau Manuela – mit ihr ist er heute seit 51 Jahren verheiratet, sie haben zwei Kinder und drei Enkelkinder. „Für ihr Verständnis und ihre Zustimmung zu meinem Ehrenamt bin ich meiner Frau überaus dankbar. Sie hat mich immer sehr unterstützt, auch direkt bei meinen Einsätzen an Land.“ Im November 1980 meldet er sich bei der damaligen DGzRS-Geschäftsstelle in Berlin. Wenig später ist der damals 29-Jährige in seinem Kiez Neukölln und anderen Stadtteilen Kapitän von etwa einem Dutzend Sammelschiffchen. „Hier auf unserer ‚Insel‘ waren die Seenotretter nicht so bekannt, das wollte ich ändern.“

Der Berliner möchte auf Veranstaltung die Menschen möglichst als Förderer gewinnen.

„Ich möchte die Menschen von der Arbeit der Seenotretter überzeugen, damit sie im besten Fall spenden.“

Seitdem hat er ungezählte Frachtmengen aus den Laderäumen der kleinsten DGzRS-Einheit gelöscht und auf Hunderten von Veranstaltungen über die Einsätze der Seenotretter berichtet. In den zurückliegenden 45 Jahren hat Detlef Röhr viel erlebt: Er erzählt von der ersten Bootsausstellung in Berlin, die ein Flop ist und gleich wieder eingestellt wird. Er blickt auf anregende Gespräche mit Menschen zurück, mal sind es Leute wie du und ich, mal bekanntere wie Berlins ehemaliger Bürgermeister Eberhard Diepgen. Solche Begegnungen motivieren ihn zusätzlich, genauso wie die mit Seenotrettern. „Sie sehen mich als ihren Kollegen an“, sagt er nicht ohne Stolz. Bei den Treffen sind es solch kleine Gesten, die für ihn großen Wert haben.

Mit den Sammelschiffchen werben die Seenotretter für ihre Arbeit. | Foto: Anna-Lena Ehlers

Erfüllendes Ehrenamt

Obwohl sich seit 1980 einiges verändert hat, ist eines für Detlef Röhr gleich geblieben: „Das Ehrenamt erfüllt mich voll und ganz.“ Der 73-Jährige lobt den starken Zusammenhalt unter den Ehrenamtlichen in Berlin, aber auch im #TeamSeenotretter insgesamt. Freundschaften sind entstanden, eine ganz besondere zwischen ihm und Theo Leiss, Spross der gleichnamigen Langeooger Seenotretter-Familie. Ihn hatte es vor der Wende von der Nordsee an die Spree verschlagen: „Von 1990 bis zu seinem Tod waren wir auf vielen Veranstaltungen ein untrennbares Team. Meine Berliner Schnauze und sein friesischer Humor passten perfekt zusammen.“ Aus dieser liebgewonnenen Gemeinschaft von Gleichgesinnten muss Detlef Röhr nach einem folgenschweren Arbeitsunfall Anfang der 2000er-Jahre unfreiwillig ausscheiden, glücklicherweise aber nur vorrübergehend. Als er sich nach einiger Zeit von seinen Verletzungen erholt hat, steht er wieder auf Messen, Stadtteilfesten und hält Vorträge, immer mit demselben Ziel: „Ich möchte die Menschen von der Arbeit der Seenotretter überzeugen, damit sie im besten Fall spenden.“ Wenn er damit Erfolg hat, freut er sich beinahe so wie damals, als er an Deck des norwegischen Frachters stehen durfte.

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