Seenotretter, Wattführer, Kapitän – Richard Kölber ist mit der Nordsee tief verbunden. Einen Tag ohne Blick auf das Wasser, für den Ostfriesen unvorstellbar.
Manchmal wandert Richard Kölber mit seiner Frau Andrea von Neßmersiel über das Watt hinüber nach Baltrum – einfach so. Tiere, Pflanzen, die weiten Flächen, der einzigartige Naturraum, all das ist ihm ans Herz gewachsen. „Bei unseren Wanderungen erkunden wir immer, wie sich das Wattenmeer seit unserer letzten Tour verändert hat: Durch welche Priele kann ich noch laufen? Wo ist der Boden weicher geworden, wo härter?“, erzählt der 58-Jährige. Denn das Wasser bewegt auf seinem Weg zwischen Küste und offener See die Sande und die organischen Stoffe genauso unentwegt hin und her wie der stetige Wind. Beides formt den Wattboden jeden Tag neu: Wo heute noch eine kleine Senke war, kann morgen schon eine tiefe Rinne sein.
Richard und Andrea Kölber müssen ihr Revier kennen, immer auf dem neuesten Stand sein. Schließlich vertrauen sich regelmäßig Touristen den beiden Wattführern an. Das Ehepaar plant seine Touren durch den mitunter tückischen Nationalpark akribisch, um gefährliche Situationen zu vermeiden. Das Duo warnt eindringlich vor unvermittelt aufziehendem Seenebel, der jede Orientierung unmöglich macht, und vor schneller als erwartet näherkommenden Gewitterfronten. Jeder, der ins Watt geht, sollte vorher unbedingt die Wettervorhersage ansehen. Doch zwischen Festland und Inseln kann unabhängig davon immer auch etwas Unerwartetes passieren – eine Person aus der Wandergruppe erkrankt plötzlich oder verletzt sich zum Beispiel. In solch einem Fall wissen die beiden, wie sie reagieren, wen sie alarmieren müssen: die Rettungsleitstelle See der DGzRS in Bremen.
Dort sitzen Richard Kölbers Kolleginnen und Kollegen, deren Stimmen er im Einsatz als freiwilliger Seenotretter über Funk hört. Seit April 1994 engagiert sich der gebürtige Ostfriese auf der DGzRS-Station Norddeich, die 1990 nach rund 60-jähriger Vakanz wiedereröffnet wurde. Maßgeblich vorangetrieben hatte dies damals Johann „Opa“ Janssen, Richard Kölbers Vater Helmut gehörte ebenfalls zur ersten Mannschaft. „Es ist eine tolle Organisation. Ich wollte immer dabei sein, bin leidenschaftlicher Rettungsmann. Es ist ein gutes Gefühl, jemanden da draußen aus einer Notlage zu befreien“, sagt der 58-Jährige. Sobald ihn die Rettungsleitstelle See alarmiert, ist er hoch konzentriert: „Mein Puls springt sofort auf 200: Jemand braucht Hilfe, ab geht’s zum Schiff.“ Auf dem Seenotrettungsboot OTTO DIERSCH fährt er dann gemeinsam mit anderen Norddeicher Freiwilligen raus, um Schlimmeres zu verhindern.
„Es ist eine tolle Organisation. Ich wollte immer dabei sein, bin leidenschaftlicher Rettungsmann. Es ist ein gutes Gefühl, jemanden da draußen aus einer Notlage zu befreien.“
In der Nähe des heutigen Liegeplatzes der OTTO DIERSCH im Westhafen verbringt Richard Kölber viele Stunden seiner Kindheit – ebenso auf dem Boot seiner Eltern. Und wenn der Junge nicht im Hafen ist, stromert er am Ufer oder im Watt: „Ich bin ein Wassermensch, schon immer gewesen.“ Oft nimmt ihn sein Opa, ein Fischer, mit zu seinem Kutter, manchmal auch raus auf See. Zwischen Fangnetzen, Fischkisten und Fendern ist damals Richard Kölbers zweites Zuhause. Er hört aufmerksam den Geschichten, dem Seemannsgarn der Fischer zu, blickt in ihre wettergegerbten Gesichter, sieht dort die Spuren von Abenteuer und Freiheit – er möchte einer von ihnen sein.
Seine Eltern reden ihm jedoch seinen Traumberuf aus: Der Knochenjob habe keine Zukunft, er solle lieber etwas anderes lernen, an Land bleiben. Also schließt Richard Kölber eine Lehre als Schiffsmaschinenbauer ab, geht zur Bundeswehr, arbeitet danach einige Jahre als Elektriker. 1995 fängt der passionierte Läufer und Motorradfahrer schließlich beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) an. An der Seefahrtschule in Leer erwirbt er das technische und das nautische Patent.
Seit 2016 ist er Kapitän auf dem NLWKN Mehrzweckschiff „Utlandshörn“. Von dessen Brücke hat Richard Kölber seine geschätzte Heimat immer im Blick. Dort draußen ist er am liebsten, mit frischem Seewind im Gesicht und salziger Luft in der Nase. Zum Glück teilt seine Frau seine Leidenschaft. Oft fahren sie gemeinsam mit ihrem Boot rüber zu einer der ostfriesischen Inseln – manchmal sind auch ihre beiden mittlerweile erwachsenen Töchter dabei. Seit seinem 19. Lebensjahr besitzt er ein eigenes Schiff: „Es ist eine völlig andere Welt. Schon wenn wir den Hafen verlassen, fühlt es sich wie Urlaub an“, schwärmt der 58-Jährige. Oder das Ehepaar wandert mit großem Vergnügen stundenlang über die weiten Wattflächen vor der Haustür – dabei haben sie die Seenotretter immer im Hinterkopf.
SEENOTRETTER WERDEN?
Sie fahren raus, wenn andere reinkommen – rund um die Uhr, bei jedem Wetter: unsere aktuell rund 1.000 Seenotretter. Um andere Menschen selbst unter widrigsten Bedingungen aus Not und Gefahr zu befreien, brauchen sie genau wie Hauke Janssen-Visser reichlich Erfahrung, Können und Mut. Sie haben Interesse und möchten sich ebenfalls an Bord unserer Rettungseinheiten engagieren?