„Es gibt Momente, in denen weiß man: Dafür macht man das alles.“

Der Vormann der Freiwilligen-Station Juist erinnert sich an einen dramatischen Einsatz vor etwa zwei Jahren: Damals hat er mit seinen Kollegen einen Segelanfänger, der erschöpft, unterkühlt und der Ohnmacht nahe in seinem Segel trieb, aus dem Wasser gezogen. Wenige Minuten später wäre es zu spät gewesen, da ist er sich sicher. Sie hatten wieder mal einem Menschen das Leben gerettet.

Hauke Janssen-Visser hat eine absurd komische Situation im Gedächtnis. Seine Freundin war zunächst irritiert: „Wer ruft dich denn nachts um zwei an und du rennst los?“
Er lacht, als er davon erzählt.

„Seenotretter ist man eben 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.“

Die Freundin trug es mit Fassung – und ist bis heute an seiner Seite.

Verantwortung zu übernehmen, liegt Hauke Janssen-Visser im Blut. „Wir sind durch und durch eine Retterfamilie“, sagt der 33-Jährige. Bereits sein Vater Arend ließ als Vormann von Juist jederzeit alles stehen und liegen, wenn Not am Mann war. Haukes sieben Jahre älterer Bruder „Bröri“ Arend ist der Gemeindebrandmeister. „Wir beide sind die Inselretter“, sagt er mit etwas Stolz in der Stimme. Mutter Martina, die zwei Retter großgezogen hat, durfte die HANS DITTMER taufen, die zehn Jahre ältere Schwester Carina die JUIST, den Vor-Vorgänger des derzeitigen Seenotrettungsbootes.

Bei den Seenotrettern schrubben selbstverständlich auch die Vorleute wie Hauke Janssen-Visser (r.) mit. | Foto: Philipp Spalek

SEENOTRETTER WERDEN?

Sie fahren raus, wenn andere reinkommen – rund um die Uhr, bei jedem Wetter: unsere aktuell rund 1.000 Seenotretter. Um andere Menschen selbst unter widrigsten Bedingungen aus Not und Gefahr zu befreien, brauchen sie genau wie Hauke Janssen-Visser reichlich Erfahrung, Können und Mut. Sie haben Interesse und möchten sich ebenfalls an Bord unserer Rettungs­einheiten engagieren? 

Liegeplatz des Seenotrettungsbootes im Juister Hafen
An seinem Liegeplatz im Juister Hafen: das Seenotrettungsboot HANS DITTMER. | Foto: Norbert Schlüß, VS-Fototeam

Hauke Janssen-Visser ist mittlerweile seit acht Jahren Vormann. Zwölf Freiwillige gehören zur Mannschaft. Zu Beginn, 2014, war er jüngster Vormann der DGzRS: Plötzlich hatte er als „Moses“, als Jüngster der Mannschaft wie es in der Seemannssprache heißt,
das Sagen. Er brachte gute Voraussetzungen mit, trotz seiner erst 26 Jahre hatte er bereits Führungserfahrung: Früh hatte er seinen Meister als Maurer und Betonbauer gemacht, war stellvertretender Betriebsleiter beim Juister Küstenschutz. Einer muss schließlich das Kommando haben – doch was zählt, ist in seinen Augen eindeutig das Team: „Die Mannschaft hat mir sehr geholfen, in die große Aufgabe hineinzuwachsen“, erinnert sich der junge Vormann.

Nicht nur für alle auf See, sondern auch für die Insulaner ist das Seenotrettungsboot eine Institution. Wenn keine Fähre mehr fährt und kein Hubschrauber mehr fliegen kann, ist die HANS DITTMER beispielsweise für plötzlich Erkrankte oder Verletzte die letzte Möglichkeit, von der Insel zu kommen. Der Juister Hafen ist besonders: Anders als die Häfen der Nachbarinseln Borkum und Norderney fällt er bei Niedrigwasser für wenige Stunden komplett trocken. „Dann laufen die Enten ums Rettungsboot“, sagt Hauke Janssen-Visser. Die Insulaner leben damit, stundenweise vom Bootsverkehr abgeschottet zu sein.

Brüder auf dem Deich
Die Brüder Hauke und Arend Janssen-Visser | Foto: Philipp Spalek

Wie die meisten Inselkinder ist Hauke Janssen-Visser auf See groß geworden: Als Grundschüler segelte er Optimisten, dann Jollen, mit 16 hatte er sein erstes eigenes Boot. So lernte er, das Watt vor Juist zu respektieren:

„Es ist immer wieder anders – interessant, welche Gewalt die Strömungen haben.“

Seenotrettungsboot HANS DITTMER
Das Seenotrettungsboot HANS DITTMER auf Kontrollfahrt | Foto: Jörg Zogel

„Das Wetter ist uns egal, wir brauchen nur Wasser!“, sagt Hauke Janssen-Visser. Doch im Notfall auf See helfen dann die Rettungseinheiten der nahen Nachbarstationen. Wegen der Tidenabhängigkeit wägt der Vormann bei jedem Einsatz ab, ob die Seenotretter sofort rausfahren oder noch etwas abwarten, je nach Einsatzart und Zielort. „Bei Gefahr für Leib und Leben stellt sich die Frage selbstverständlich nicht. Sobald wir gerade genügend Wasser unterm Kiel haben, fahren wir raus.“ Mit seiner Umsicht und positiven Einstellung hält Hauke Janssen-Visser die Station auf Juist am Laufen – gemeinsam mit seiner Crew.

Drei Seenotretter, mit einem Hund und zwei Kindern, sitzen auf der Bank vor einem Stationsgebäude.
Ruhepause vor dem Stationsgebäude. Vormann Hauke Janssen-Visser mit Sohn Domenik (rechts) | Foto: Philipp Spalek

Die nächste Seenotretter-Generation zeichnet sich schon ab: Seinen siebenjährigen Sohn Domenik hat er bereits zum Spielen mit einem roten Overall eingekleidet. „Er ist Feuer und Flamme für das Seenotrettungsboot“, schwärmt der Vater und meint: „Wenn er möchte und die künftige Mannschaft ihn wählt, wer weiß, vielleicht übernimmt er später mal meinen Platz an Bord.“ Durch und durch Seenotretter-Familie eben.

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Zur Seite: Porträt: Michaela Runknagel

Michaela Runknagel lebt ihren Traum: Vor fast acht Jahren ist die 52-Jährige von der Schwäbischen Alb an die Ostsee gezogen. Auf Fehmarn hat sie eine neue Heimat mit einem erfüllenden Ehrenamt gefunden – seit 2019 engagiert sie sich auf der Insel als freiwillige Seenotretterin.

Unsere Seenotretter
Am Liegeplatz steht ein Seenotretter auf einem Schwimmporton vor einem Seenotrettungsboot und lächelt freundlich in die Kamera. . Zur Seite: Porträt: Gerd Hasselberg

Gerd Hasselberg ist Rüganer durch und durch. Der 62-Jährige ist tief verwurzelt in der Region und engagiert sich in Glowe im Nordosten der Insel. Er ist ehrenamtlich bei den Seenotrettern, aber auch bei der Freiwilligen Feuerwehr im Einsatz.

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Ricarda Byrne-Hausmann engagiert sich seit zweieinhalb Jahren bei den Seenotrettern – so wie fast ihre gesamte Familie. Ihr Mann und ihr Sohn fahren ebenfalls raus, wenn jemand im Seerevier der Station Langeoog Hilfe benötigt.

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Gregor Jeske (34) ist neuer Vormann der Station Deutsche Bucht/Helgoland. Der gebürtige Ostwestfale erzählt, warum er schon als Kind unbedingt zur See fahren wollte und wieso er heute dennoch mit seiner Familie weit weg von der Küste in Baden-Württemberg lebt.

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Neuer Vormann der Freiwilligenstation Gelting ist seit Anfang Februar 2024 Tim Eggers. Für den 48-Jährigen ist die See fast so essenziell wie die Luft zum Atmen, ohne sie hält er es nie lange aus.

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„Es ist ein schönes Gefühl, das Leben anderer zu retten“
Axel Mussehl kennt die Seenotretter, seit er denken kann: Als Junge war er mit seinem Vater oft an Bord der Rettungseinheiten der Station Travemünde. Mittlerweile gehört der 27-jährige Polizist selbst zur Freiwilligen-Besatzung des Seenotrettungsbootes ERICH KOSCHUBS – und hat schon mehrfach Leben gerettet.

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Zur Seite: Wie eine große Familie

„Die Seenotretter sind wie eine große Familie, aber ohne unsere Partner geht es nicht!“ Harm Olchers ist Insulaner durch und durch. Auf der Nordsee ist er immer, wenn es seine Zeit erlaubt. Zwischen Ehrenamt, Beruf und Familie hat er davon jedoch viel zu wenig.

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Zur Seite: Freiheit eines Fischers

Sven Okken ist seit mehr als 20 Jahren beruflich auf der Nordsee unterwegs: Er ist Krabbenfischer. Der Heimathafen seiner „Pirola“ ist Norddeich. Der Kutter liegt unweit des Seenotrettungsbootes OTTO DIERSCH der DGzRS an der Pier. Zu dessen Besatzung gehört der 40-Jährige seit einigen Monaten.

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Zur Seite: Lebenslange Leidenschaft – vom Fan zum Seenotarzt

Als Anästhesist auf der Intensivstation in der Nordseeklinik Westerland hat Markus Stumm einen Job, der sehr fordernd ist. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, in seiner Freizeit als Seenotarzt für die DGzRS aktiv zu sein.

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Seenotretter schaut über die Reling eines Seenotrettungskreuzers. Zur Seite: Porträt: Martin Rakobrandt

Zur Besatzung des Seenotrettungsbootes zu gehören, ist auf zahlreichen Stationen der DGzRS an Nord- und Ostsee oft Teil der Familientradition. Auch der Rüganer Martin Rakobrandt ist nicht der erste in seiner Familie, der rausfährt, wenn andere reinkommen.

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Seenotretter auf der Kommandobrücke mit Funkgerät in der Hand. Zur Seite: Frank Weinhold

Du weißt nie, was kommt, heißt es bei den Seenotrettern. Denn kein Einsatz ist wie der andere. Diese Erfahrung hat Frank Weinhold schnell gemacht, als er vor 15 Jahren bei der DGzRS angeheuert hat.

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Seenotretterin an Deck eines Seenotrettungsbootes der DGzRS. Zur Seite: Porträt: Melanie Heuser

„Ich kann mich auf meine Kollegen verlassen, nicht nur im Einsatz. Vielen ist heute nicht mehr so bewusst, wie viel so eine Gemeinschaft einem gibt.”

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Zur Seite: Porträt: Oliver Bohn

Er ist Seenotretter mit Leib und Seele: „Der Eintritt ist freiwillig. Der Austritt ist freiwillig. Dazwischen ist Dienst. Dann geht es um Menschenleben, auch am eigenen Hochzeitstag.“

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