Ralf Baur

Ralf Baur

Frank Kahl (56) ist auf Spiekeroog groß geworden. Als Teenager verlässt er für Schule und Ausbildung die ostfriesische Insel – und wohnt mittlerweile doch wieder auf einer. Seit 1987 lebt er rund 30 Kilometer weiter westlich auf Norderney und engagiert sich dort als Ehrenamtlicher für die Seenotretter.

Eines ärgert Frank Kahl mehr als zwölf Jahre später immer noch: Im Juli 2011 schätzt er bei einer Überführungsfahrt mit einem Jollenkreuzer die Lage falsch ein und benötigt die Hilfe der Seenotretter. „Ich habe auf die Wettervorhersage vertraut, nach der der Wind abnehmen und von Nordwest auf Südwest drehen sollte“, erinnert er sich. Doch das passiert nicht. Zwar ändert der Wind seine Richtung, aber er weht weiterhin stürmisch mit bis zu 8 Beaufort. 

Hinzu kommt: Nach dem Ablegen auf Norderney hisst er gemeinsam mit seinem Freund statt des Großsegels lediglich das Vorsegel, die Fock. „Das war seemännisch absolut falsch“, betont er heute sehr selbstkritisch. Vor allem diese Fehlentscheidung wird dem Duo auf der Jade fast zum Verhängnis: Als der Jollenkreuzer sich infolge des Sturms bis zu 45 Grad auf die Seite legt, bekommen die beiden die Fock nicht gerefft. Wegen des Windes lastet zu viel Zug auf ihr. Sie geraten in eine gefährliche Situation, aus der die Seenotretter sie befreien. „Ich habe damals viel Lehrgeld bezahlt.“

„Die Seenotretter sind ausgesprochen wichtig für unser Leben, sie sind mitunter unsere Nabelschnur zum Festland – auch wenn es seit 1948 keine Station mehr auf Spiekeroog gibt.“

Frank Kahl verbindet als Ehrenamtlicher mitunter zwei Hobbys miteinander: die Seenotretter und den Modellbau. Bei einer Veranstaltung im Juni 2015 in Hamm moderiert er mit großem Spaß aus dem Wasser die Vorführung der Rettungseinheiten en miniature. | Fotos: Frank Kahl

Dabei lernt er als Inselkind bereits in jungen Jahren die Kraft von Wind und Wellen kennen, ist sich der Gefahren der See bewusst. Und wie viele auf Spiekeroog ist er als Junge fast ständig draußen – die ostfriesische Insel ist für ihn ein 18 Quadratkilometer großer Spielplatz mit Salzwiesen, Dünen, Sandstrand und Hafen, drumherum lockt die See. Wenn Frank Kahl sich an seine Kindheit erinnert, denkt er an riesige Freiheit, große Unbeschwertheit und eine enge Gemeinschaft. Und er weiß – wie alle Insulaner – schon früh: „Die Seenotretter sind ausgesprochen wichtig für unser Leben, sie sind mitunter unsere Nabelschnur zum Festland – auch wenn es seit 1948 keine Station mehr auf Spiekeroog gibt.“

Als Kind liest er voller Faszination in den Jahrbüchern, die sein Vater als regelmäßiger Förderer der DGzRS zugeschickt bekommt und sammelt. „Neben den Artikeln über die Einsätze und Flotte fand ich vor allem spannend, wie viel jedes Bundesland pro Kopf spendet“, erinnert sich Frank Kahl mit einem Schmunzeln. Bei den Werbetagen der DGzRS lernt er die Rettungsleute schon als Junge persönlich kennen. Ihn fasziniert die Technik der Rettungseinheiten, ihn beeindrucken diese „kernigen Typen“, und er mag den markanten Motorenklang der HANS LÜKEN – auf der autofreien Insel ein ungewohntes Geräusch. Gemeinsam mit seinem Vater ist er zudem mit dem Sammelschiffchen im Hafen unterwegs, um bei den Urlaubern für die Seenotretter zu werben.

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Ostfriese in der Pfalz

Auf dem Festland absolviert Frank Kahl die Realschule, wird bis zum Abschluss zum Wochenendpendler. „Dadurch bin ich früh selbstständig geworden“, blickt er positiv auf diese Jahre zurück. Über seinen Onkel Heinrich Reiners landet er 1985 schließlich beim Deutschen Wetterdienst. Seine Ausbildung zum Wetterdiensttechniker führt ihn ins rund 700 Kilometer entfernte pfälzische Neustadt an der Weinstraße. Es ist eine herausfordernde, prägende Zeit für den Ostfriesen – statt Tee und Meer gibt es Wein und Berge. Dennoch verliebt er sich schnell in Land und Leute, bis heute hat er Freunde in der Region.

Nach seinem Abschluss tritt er 1987 eine Stelle auf Norderney an und kümmert sich um die Wetterstation am Nordstrand. Er gründet eine Familie und lebt seit mittlerweile mehr als 36 Jahren auf der zweitgrößten Ostfriesischen Insel. Als 2018 die Wetterstation automatisiert wird, liegt sein neuer Arbeitsplatz in Hamburg unweit der Landungsbrücken. Im Seewetteramt – einer Niederlassung des Deutschen Wetterdienstes – arbeitet er im Team der Presseund Öffentlichkeitsarbeit.

In seiner Freizeit schaut Frank Kahl ebenfalls regemäßig auf die Wettervorhersage: Als passionierter Segler informiert er sich vor jedem Törn über die Prognosen. Über sein Hobby kommt er Ende der 1980er-Jahre auf Norderney mit den Seenotrettern ins Gespräch: Der Seenotrettungskreuzer OTTO SCHÜLKE liegt am selben Ponton wie sein damaliger Jollenkreuzer. Ein Schnack hier, ein Plausch dort – irgendwann spricht ihn Alfred „Ali“ Visser an, um ihn als Ehrenamtlichen zu gewinnen. Für Frank Kahl ist das als Insulaner selbstverständlich, inzwischen seit mehr als 30 Jahren.

„Das Ehrenamt fühlt sich für mich richtig an – es macht mir nach wie vor einfach unheimlich viel Spaß, auch weil wir auf Norderney ein sehr engagiertes Team sind, gemeinsam erreicht man einfach viel mehr.“

Auch an Land gilt: Seenotrettung ist Teamarbeit. Im August 2019 haben sich die Ehrenamtliche auf Norderney für ein Gruppenbild vor dem historischen Rettungsschuppen aufgestellt.
Im Dezember 2023 nimmt Frank Kahl eine historische Spendertafel aus Messing (1893) für das Ruderrettungsboot FÜRST BISMARCK der Station Norderney entgegen.

Anfangs sammelt er Spenden, später moderiert er die Rettungsübungen vor dem Weststrand und hält mehr als 50 Vorträge pro Jahr, auch vor Schulklassen. „Ich finde es sehr wichtig, jungen Menschen zu erzählen, was wir machen, wofür wir stehen.“ Manchmal erzählen Erwachsene ihm, wie sehr ihnen die Stunden im Rettungsschuppen auch Jahre später noch im Gedächtnis sind. „Das zeigt, wie unsere Arbeit über den Augenblick hinauswirkt.“ Frank Kahl mag die persönlichen Gespräche – doch seit er nach Hamburg pendelt, hat er weniger Zeit dafür. „Ich würde gerne mit den anderen Ehrenamtlichen mehr machen, den Rettungsschuppen häufiger öffnen und die tolle Bühne am Weststrand öfter nutzen, für die Gäste noch sichtbarer sein.“ Denn er weiß: Je mehr Menschen die Seenotretter kennen, desto mehr helfen mit einer Spende dabei, Seeleute, Fischer und Wassersportler aus Gefahren zu befreien – so wie ihn selbst vor mehr als zwölf Jahren.

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