Ricarda Byrne-Hausmann engagiert sich seit zweieinhalb Jahren bei den Seenotrettern – so wie fast ihre gesamte Familie. Ihr Mann und ihr Sohn fahren ebenfalls raus, wenn jemand im Seerevier der Station Langeoog Hilfe benötigt.
Wenn bei uns zu Hause nachts der Alarm losgeht, ist er so laut, dass ich fast aus dem Bett falle“, erzählt Ricarda Byrne-Hausmann und lacht. Viele Jahre galt der Notruf nur ihrem Mann Gerald, später ebenfalls ihrem Sohn Gillian und mittlerweile auch ihr. Seit Sommer 2022 ist sie freiwillige Seenotretterin auf der Station Langeoog, vorher passte das Ehrenamt noch nicht zu ihrem Alltag mit Kindern und eigenem Betrieb. Mit ihrem Einstieg bei der DGzRS ist nun eine Einsatzbesatzung des Seenotrettungsbootes SECRETARIUS bereits komplett, sobald Mutter, Vater und Sohn am Liegeplatz sind.
Mit Langeoog verbindet Ricarda Byrne Hausmann manche Kindheitserinnerung: Mit ihren Eltern ist sie regelmäßig auf der Nordseeinsel im Urlaub. Dort ist es ganz anders als in ihrer ostwestfälischen Heimat: Nahe der Doppelstadt Rheda-Wiedenbrück wächst sie als Tochter eines Iren und einer Deutschen auf. Sie mag Langeoogs weiten Sandstrand im Westen und Norden, dem Watt im Süden kann sie allerdings nicht viel abgewinnen. Die Gefühle der heute 54-Jährigen sind gemischt, wenn sie an diese Zeit zurückdenkt. Trotzdem reist sie als junge Erwachsene erneut nach Langeoog. Vielleicht ist es die Unbeschwertheit ihrer Kindertage, die sie wieder einfangen will. Oder es ist die Abgeschiedenheit, nach der sie sich sehnt. Etwas zieht sie jedenfalls zurück auf die Insel – und irgendwann bleibt sie für immer. 1999 wird sie Insulanerin, die Liebe zu ihrem Mann lässt Langeoog zu ihrer zweiten Heimat werden. Die beiden heiraten, ziehen zwei Kinder groß: Gillian und Joy.
Nach all den Jahren empfindet Ricarda Byrne-Hausmann es als Privileg, auf der Nordseeinsel wohnen zu dürfen: „Immer, wenn ich vom Festland zurückkehre, wird mir bewusst, wie schön es bei uns ist. Die Ruhe, die Natur und das Leben mit den Gezeiten sind etwas ganz Besonderes.“ Wie so viele Einheimische lebt auch ihre Familie von dieser rauen Schönheit, die gerade im Sommer viele Menschen an die Strände lockt. Ihr Hotel, das Bistro und das Restaurant sind ein Saisongeschäft, das vor allem zur warmen Jahreszeit brummt. Daneben betreiben ihr Mann und sie eine kleine Werbeagentur, außerdem einen Fachhandel für Papier- und Betriebshygieneartikel sowie ein Immobilienbüro. Viel Freizeit bleibt da nicht. Doch auf eines wollen die beiden auf keinen Fall verzichten: Touren mit ihrer Motoryacht, auch mal Langstrecke rüber zur Ostsee.
SEENOTRETTER WERDEN?
Sie fahren raus, wenn andere reinkommen – rund um die Uhr, bei jedem Wetter: unsere aktuell rund 1.000 Seenotretter. Um andere Menschen selbst unter widrigsten Bedingungen aus Not und Gefahr zu befreien, brauchen sie genau wie Hauke Janssen-Visser reichlich Erfahrung, Können und Mut. Sie haben Interesse und möchten sich ebenfalls an Bord unserer Rettungseinheiten engagieren?
Das Wissen um die Gefahren
Was genau sie immer wieder auf die See hinaustreibt, kann Ricarda Byrne-Hausmann nur schwer in Worte fassen. Sie erzählt von magischen Momenten, wenn die Sonne das Wasser glitzern lässt, von der Weite und der Freiheit, von Robben und anderen Tieren, die sie auf Sandbänken beobachtet. Doch in den zurückliegenden mehr als 20 Jahren gibt es auch gefährliche Momente: unvermittelt auftauchende Nebelbänke, plötzlich vorüberziehende Schlechtwetterfronten und ausfallende Motoren. Sie weiß, wie unangenehm es da draußen werden kann.
„Umso wichtiger ist es, dass da jemand ist, der bei Wind und Wetter rausfährt und hilft, wenn es brenzlig wird – das wünschte ich mir selbst auch.“
Seit gut zwei Jahren gehört Ricarda Byrne-Hausmann zu denen, die rund um die Uhr einsatzbereit sind, um Menschen aus gefährlichen, manchmal lebensbedrohlichen Lagen auf See zu befreien. „Als ich gefragt wurde, ob ich mitmachen möchte, dachte ich: ‚Wenn ich sowieso schon durch den Alarm für meinen Mann und meinen Sohn wach geworden bin, kann ich auch gleich mitfahren.‘“ Die 54-Jährige kennt sich im Revier der Station Langeoog sehr gut aus. Sie weiß genau, wann und wo die Besatzung mit dem Seenotrettungsboot SECRETARIUS über die Wattflächen fahren kann, auch um gegebenenfalls den Weg zum Havaristen abzukürzen. „Es ist ein schönes Gefühl, Menschen zu helfen. Manche sind sehr aufgeregt, wenn etwas passiert ist, obwohl die Situation für uns Seenotretter eher Routine ist. Da reicht es oft schon, mit ihnen zu sprechen, sie zu beruhigen.“ Dramatische Einsätze hat sie bisher noch nicht miterleben müssen: „Gott sei Dank sind diese selten!“
Ricarda Byrne-Hausmann ist es wichtig, sich ehrenamtlich zu engagieren, der Gesellschaft etwas zurückzugeben – außer bei den Seenotrettern ist sie im Lions-Club aktiv. Für sie ist Langeoog wie ein Schiff, von dem niemand mal eben so runter kann. Umso bedeutender ist es in ihren Augen, dass sich alle gegenseitig helfen. Deshalb bringen die freiwilligen Seenotretter im Rahmen der Amtshilfe plötzlich Erkrankte oder Verletzte von der Insel ans Festland, wenn ein Hubschrauber bei Nebel oder Gewitter nicht mehr fliegen kann und die Fähre ihre letzte Fahrt des Tages bereits hinter sich hat. Und auch dann klingelt in der Nacht der Alarm bei ihr zu Hause so laut, dass sie „senkrecht im Bett steht“, wie sie selbst sagt.