Gerd Hasselberg ist Rüganer durch und durch. Der 62-Jährige ist tief verwurzelt in der Region und engagiert sich in Glowe im Nordosten der Insel. Er ist ehrenamtlich bei den Seenotrettern, aber auch bei der Freiwilligen Feuerwehr im Einsatz.
Ohne die See, ohne kleine und große Boote lässt sich Gerd Hasselbergs Leben nicht erzählen. Es fehlte nicht nur ein kleines Puzzleteil, sondern etwas Grundlegendes: „Mein ganzes Leben dreht sich ums Wasser“, sagt der 62-Jährige. Seit seinen Kindertagen fühlt er sich im Nordosten Rügens ausgesprochen wohl. Es ist seine Heimat, weg wollte er nie. Noch heute freut er sich ungemein, wenn er nach einer Urlaubsreise wieder über die Rügenbrücke fährt.
Schon als Kind ist er mit seinem Vater, einem Küstenfischer, draußen auf der Ostsee unterwegs – immer unter Beobachtung der Grenzschützer. „Eigentlich durfte ich nicht mit, aber die Soldaten drückten ein Auge zu“, erinnert sich Gerd Hasselberg an einen Funken Menschlichkeit im ansonsten repressiven Grenzregime der DDR. Wenn er nicht an Bord des Kutters steht, ist er am Strand der Tromper Wieck zu finden – einer weitgeschwungenen Bucht im Norden Rügens – und geht baden, bis ihm „Schwimmhäute gewachsen sind“. Als Jugendlicher ist er auf dem rückwärtigen Jasmunder Bodden mit dem Boot unterwegs, lernt an Bord noch mehr Handgriffe als er sowieso schon von seinem Vater kennt.
Nach dem Schulabschluss und seiner Ausbildung zum Landmaschinenschlosser folgt Gerd Hasselberg seinem Vater in den Beruf als Küstenfischer. Später holt er als Hochseefischer mit Heringen, Dorschen und Flundern gefüllte Netze aus der Ostsee. Seine Kollegen und er sind bei fast jeden Wetter draußen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. „Wir haben mitunter voll einen auf die Mütze bekommen“ – er erfährt die Unbilden von Wind und Wellen ganz unmittelbar, weiß um die Gefahren, in der sie sich mitunter befinden.
SEENOTRETTER WERDEN?
Sie fahren raus, wenn andere reinkommen – rund um die Uhr, bei jedem Wetter: unsere aktuell rund 1.000 Seenotretter. Um andere Menschen selbst unter widrigsten Bedingungen aus Not und Gefahr zu befreien, brauchen sie genau wie Tim Eggers reichlich Erfahrung, Können und Mut. Sie haben Interesse und möchten sich ebenfalls an Bord unserer Rettungseinheiten engagieren?
Einmal Fischer, immer Fischer
Mit der Wende im Herbst 1989 und der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten ein Jahr später ändert sich Gerd Hasselbergs Leben grundlegend: Für viele Fischer gibt es keine Arbeit mehr. Er geht an Land, dem Wasser bleibt er trotzdem treu: Zehn Jahre arbeitet er beim Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen. Doch die See fehlt ihm: „Es fiel mir damals sehr schwer, nicht mehr auf dem Wasser zu sein.“ Deshalb fährt er im Nebenerwerb jahrelang mit einem acht Meter langen Kutter hinaus, bleibt Fischer. Zwar hat er diesen längst verkauft, dennoch kann er nicht von seinem einstigen Beruf lassen: Ab und an ist er mit einem kleinen Motorboot auf der Tromper Wieck unterwegs, um Netze zu setzen.
Mittlerweile ist Gerd Hasselberg auch beruflich wieder näher dran an der Ostsee: Seit dem Bau des Wasserwanderrastplatzes in Glowe zur Jahrtausendwende mit 150 Liegeplätzen für Sportboote und einige Kutter ist er dort Hafenmeister – und freiwilliger Vormann der gleichfalls 2000 wiedereröffneten Rettungsstation. „Wir sind damals im Juni auf die Verantwortlichen zugegangen und haben vorgeschlagen, in Glowe die nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossene Station wieder zu errichten. Schon im Oktober wurde sie offiziell eröffnet“, schwärmt er Jahre später noch davon, wie die DGzRS die Idee innerhalb von lediglich vier Monaten umgesetzt hat. Die Geschichte der Seenotretter an dieser Stelle reicht bis 1866 zurück: Damals gründete die Königliche Regierung Stralsund in dem Fischerdorf eine Mörserstation. Der später von der DGzRS errichtete historische Rettungsschuppen für den seinerzeit modernen Raketenapparat ist bis heute an der Hauptstraße erhalten.
Im Jahr 2000 besteht die Mannschaft in Glowe aus erfahrenen Fischern, denen lediglich das Seenotretter-Handwerk beigebracht werden muss. Das Revier, die See kennen sie in- und auswendig. Heute ist Gerd Hasselberg das letzte verbliebene Gründungsmitglied der wiedereröffneten Station in der Mannschaft, zu der fast 15 frei willige Rettungsleute gehören. „Wir sind eine gute Crew, mit ihr steht und fällt alles. In den zurückliegenden mehr als 24 Jahren haben wir alle Einsätze erfolgreich absolviert“, sagt er mit etwas Stolz in der Stimme. Genauso wie seine Kollegen ist der heute 62-Jährige gern für Menschen in Not da, engagiert sich deshalb seit mehr als vier Jahrzehnten im Ort zusätzlich in der freiwilligen Feuerwehr. „Ich habe einfach eine soziale Ader und helfe gern anderen“, sagt er, „am liebsten mach ich das auf See!“