Lebenslange Leidenschaft
Als Anästhesist auf der Intensivstation in der Nordseeklinik Westerland hat Markus Stumm einen Job, der sehr fordernd ist. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, in seiner Freizeit als Seenotarzt für die DGzRS aktiv zu sein. Die Begeisterung dafür geht zurück bis in seine Kindertage – und hat den gebürtigen Saarländer außerdem reif für die Insel gemacht.
Fehmarn, 1972: Als Erinnerung an den Urlaub bekommt der vierjährige Markus Stumm eine Postkarte von seinen Eltern geschenkt. Darauf zu sehen: der Seenotrettungskreuzer HAMBURG, damals stationiert in Burgstaaken. Es ist der Beginn einer großen Liebe. „Ich fand als Kind einfach die Schiffe ganz toll“, sagt der heute 52-Jährige. „Die Postkarte habe ich immer noch.“
Zwei Jahre nach diesem ersten DGzRS-Moment reist Familie Stumm nach Sylt, was sie in den folgenden Jahren wiederholt. Untergebracht sind sie in der Ferienwohnung eines freiwilligen Seenotretters. So knüpft der kleine Markus Kontakt zur Lister Mannschaft. Immer wieder schaut er auf der Station vorbei, fragt den Rettungsleuten Löcher in den Bauch. Ein Maschinist aus dieser Zeit wohnt heute in Stumms Nachbarschaft. „Der hat mir mal mit einem Augenzwinkern gesagt, dass ich schon ein wenig genervt habe“, sagt der mittlerweile erwachsene Fan und lacht.
UNSERE SEENOTRETTER
Sie fahren raus, wenn andere reinkommen – rund um die Uhr, bei jedem Wetter: unsere rund 1.000 Seenotretter. Um andere Menschen selbst unter widrigsten Bedingungen aus Not und Gefahr zu befreien, brauchen sie genauso wie Markus Stumm Erfahrung, Können und Mut. Sie haben Interesse und möchten sich ebenfalls an Bord unserer Rettungseinheiten engagieren? Mehr Informationen:
Einstieg als Ehrenamtlicher an Land ...
Markus Stumm wächst im Saarland auf, fernab der Küste. Als Jugendlicher meldet er sich bei der für ihn zuständigen damaligen DGzRS-Geschäftsstelle in Frankfurt am Main, durch die er zum ehrenamtlichen Mitarbeiter wird. Er hilft an Messeständen der Seenotretter, darf als 18-Jähriger Sammelschiffchen in der Heimat betreuen und neue Ankerplätze suchen. So tief im Binnenland ist das nicht immer einfach, nur wenige können mit der DGzRS etwas anfangen. Markus Stumm erinnert sich:
„Es gab eine Kneipe, die wenig einladend aussah. Ich wollte erst gar nicht rein. Aber als ich dem Wirt vorsichtig sagte, ich käme wegen eines Sammelschiffchens, fiel er mir vor Freude quasi um den Hals. Denn er war früher zur See gefahren.“
... und später als freiwilliger Seenotretter
Markus Stumm arbeitet dann als Rettungssanitäter und studiert Medizin. Zurück an die See kommt er 2005: Durch persönliche Kontakte bietet sich ihm die Chance, in der Nordseeklinik auf Sylt zu arbeiten. Und für den Neu-Insulaner ist der nächste Schritt klar – Stumm wird Freiwilliger der Station List. „Das war sozusagen ein automatischer, schleichender Prozess“, sagt der 52-Jährige. „Der Vormann rief mich irgendwann an und sagte: ‚Ich habe Dir mal ’nen Overall bestellt.‘ Dann war ich Seenotretter.“
Schnell entscheiden
Bei der DGzRS kommt Markus Stumms eigentlicher Beruf zum Tragen – als freiwilliger Seenotarzt, agiert er als Notfallmediziner an Bord. Das birgt besondere Herausforderungen: „Der Platz ist oft begrenzt, die An- und Abfahrt zum Unglücksort dauert wesentlich länger als im Landrettungsdienst“, erläutert Stumm.
„Ich muss darüber hinaus wissen, wie ich mit Seegang umgehe – gerade zum Wohl des Patienten. Wenn es ihm schlecht geht, können wir nicht wie an Land rechts ranfahren, bis er stabilisiert ist.“
Die wichtigste Entscheidung bei jedem Einsatz: „Ich muss schnell erfassen, ob wir einen Patienten an Bord versorgen können oder ob er ausgeflogen werden muss – sofern das überhaupt geht.“
Was im Gedächtnis bleibt
Ein Einsatz ist Markus Stumm besonders im Gedächtnis geblieben: In einer Gewitternacht im Juli 2014 reißt an Bord eines Errichterschiffs für den Offshore-Windpark „Butendiek“ eine Leine. Die Stahltrosse verletzt einen Arbeiter schwer. „Seine Rettungsweste hatte einiges abgefedert, sonst wäre es schlimmer ausgegangen“, erinnert sich Stumm. „Wir haben ihn behutsam an Bord genommen und dort versorgt, bis wir im Hafen waren. Von dort hat ihn ein Hubschrauber auf das Festland nach Heide gebracht.“
Seine Einsätze als Seenotarzt fährt Markus Stumm ehrenamtlich, meist in der geplanten Freizeit. Oder er tauscht spontan einen Dienst im Krankenhaus:
„Ich stehe hinter dem Gedanken der Freiwilligkeit. Mich zwingt niemand. Die DGzRS braucht Leute, die mitmachen. Ich kann es, warum sollte ich es nicht tun?“
Mit derselben Auffassung unterstützt Markus Stumm die Station Hörnum. Das Team um Vormann Michael Petersen besteht ausschließlich aus Freiwilligen. Diese zu finden, ist nicht einfach. Denn immer weniger Menschen haben ihren Wohnsitz auf Sylt, Pendler vom Festland kommen für die Crew nicht infrage. Die Coronavirus-Pandemie erschwert die Situation, da Mannschaftstreffen und Übungsfahrten eingeschränkt sind. „Wir bieten moderne Technik und eine interessante Ausbildung“, wirbt Markus Stumm um neue Mitstreiter, die immer willkommen sind, Begeisterung für die Seenotretter vorausgesetzt. So wie sie der kleine Junge aus dem Saarland damals hatte – und bis heute hat.