Christian Stipeldey

Christian Stipeldey

Der Kleine hilft dem Großen

„Die Seenotretter – das sind doch die mit den kleinen rot-weißen Schiffchen!“ Richtig, seit 150 Jahren: Nur zehn Jahre jünger als die DGzRS selbst sind ihre Sammelschiffchen. Seit 1875 tragen sie frei nach dem Motto „Der Kleine hilft dem Großen“ nicht unerheblich zur Finanzierung bei. Und sie haben unverwechselbare Symbolkraft.

Sie stehen gleichermaßen für den freiwilligen Einsatz der Seenotretter wie für die unabhängige, ebenso freiwillige Finanzierung – ohne jegliche staatlich öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen.

Von der Waterkant bis zum Alpenrand

 Jede Spende zählt

Im Einsatz sind die Sammelschiffchen an vielen öffentlich zugänglichen Orten: in Apotheken und Arztpraxen, beim Bäcker und in Büros, in Geschäften und Gaststätten, Kontoren und Kanzleien, Vereinen und Verwaltungen, beim Frisör und sogar im Fernsehstudio als begehrter „Komparse“. Alle sind registriert, bleiben stets Eigentum der DGzRS, dürfen also – sooft wir auch gefragt werden – nicht verkauft werden und nur dort stehen, wo ein Sammlungsergebnis zu erwarten ist.

Rund 13.000 Sammelschiffchen sind zwischen Flensburg und Sonthofen, zwischen Aachen und Frankfurt an der Oder aktiv. Mehr als 75.000 Einheiten der kleinsten DGzRS-„Bootsklasse“ sind bisher insgesamt vom Stapel gelaufen – einst aus Metall, seit den 1960-er Jahren aus Kunststoff-Spritzgussteilen, bruchsicher verschweißt per Ultraschall. Wie die Großen, die Rettungseinheiten, müssen auch die Kleinen angesichts natürlichen Verschleißes regelmäßig modernisiert werden. Die jüngsten tragen modernste „Kommunikations- und Navigationsanlagen“: QR-Codes und NFC-Tags, um auch bargeldlose Zahlungen via Smartphone entgegenzunehmen.

Sammelschiffchen aus verschiedenen Jahrzehnten: Die Form ist nahezu unverändert geblieben. Fotos: Steven Keller

Rund um den Globus, in Höhen und Tiefen

Das „Schiffsregister“ verzeichnet manch ungewöhnlichen Liegeplatz. Sammelschiffchen reisen „huckepack“ auf dem Segelschulschiff „Alexander von Humboldt II“, auf einem Hapag- Lloyd-Großcontainerschiff und sogar unter Wasser auf einem U-Boot der Deutschen Marine über – und durch – die Weltmeere. Mit dem Forschungseisbrecher „Polarstern“ erreichte eines den Nordpol. In der Antarktis wiederum liegt eines vor Anker auf der Forschungsstation „Neumayer III“.

Das 50.0000 Sammelschiffchen stellte Schauspieler Wolfgang Fierek 1996 auf der Zugspitze auf, nahezu drei Höhenkilometer über dem Meeresspiegel. Vier Jahre später zog Sänger und DGzRS-Botschafter Reinhard Mey mit dem 55.000. nach – auf dem Berliner Fernsehturm, Deutschlands höchstem Gebäude. Auch tief unter der Erde ist eines zu finden, im Weltkulturerbe-Bergwerk Rammelsberg im Harz, und ganz in der Nähe im Brocken-Hotel in mehr als 1.100 Metern Höhe. Im thüringischen Heilbad Heiligenstadt markiert ein Sammelschiffchen den von der Universität Bonn errechneten Mittelpunkt Deutschlands. Andere hingegen sind bei aller Ortsgebundenheit ständig in Bewegung, etwa an Bord eines Raddampfers auf der Elbe oder auf einer Autofähre am Niederrhein. Besonders weit herum kam eines mit einer Weltumseglerin.

Seenotretter-Fans gibt es überall, vom Nordkap in Nordnorwegen bis ins argentinische Ushuaia, in die südlichste Stadt der Welt. Entsprechend endlos sind die Sammelschiffchen- Geschichten, so dass wir sie an dieser Stelle längst nicht alle aufzählen können. Stattdessen ein Blick in die Geschichte: Erste Sammelbüchsen der Seenotretter, noch nicht in Bootsform, erwähnt der Jahresbericht 1868/69 der DGzRS. Sechs Jahre später kam das Thema auf der Gesellschaftsausschusstagung in Bremen am 29. Mai 1875 grundsätzlich auf die Tagesordnung. Der Bezirksverein Bremen beantragte, „der Vorstand wolle Placate anfertigen lassen, welche an geeigneten öffentlichen Orten mit Sammelbüchsen aufzuhängen sind“.

Auf dem Weg an die Spitze: Sänger und DGzRSBotschafter Reinhard Mey mit dem 55.000 Sammelschiffchen auf dem Berliner Alexanderplatz.

Fotos: Steven Keller

„Geschmackvolle Böte“

Fünf Monate später waren die ersten in Form „geschmackvoller Böte“ fertig, hergestellt „nach dem Muster eines kleinen Peake’schen Bootes“. Diesen von James Peake entwickelten Ruderrettungsboot-Typ benutzte auch die junge DGzRS, bis sie ein leichteres, für den Transport durch den losen Dünensand an der deutschen Nordseeküste tauglicheres Boot selbst entwickelt hatte.

Die Sammelschiffchen sollten „an Orten, an welchen ein zahlreiches Publikum verkehrt, also in Bahnhöfen, Geschäften, Restaurationen, öffentlichen Gärten u. dgl., vornehmlich auch an Badeorten, in unseren Seebädern etwa auch an den Rettungsschoppen“ aufgehängt werden. 1.240 wurden allein im ersten Jahr gefertigt, die meisten (442) in die preußische Provinz Hannover verschickt, namentlich in den starken Bezirksverein Emden, 203 nach Schleswig-Holstein, 188 blieben in Bremen, jeweils rund 50 gingen nach Pommern, Sachsen und Rheinland/ Westfalen, jeweils rund 25 nach Bayern, Hessen und Lübeck, jeweils zehn nach Brandenburg, Schlesien, Baden und Mecklenburg und sogar zwölf nach Österreich.

Bereits 1879 gingen 100 Sammelschiffchen an die französische Seenotrettungsgesellschaft und zwölf an die spanische, jeweils in den entsprechenden Farben. Heute ist es kaum anders: Dieselbe deutsche „Werft“, die die Schiffchen für die DGzRS produziert, stellt sie auch für ihre Schwestern in den Niederlanden (weiß-orange), in Großbritannien und Irland (blau), Frankreich (orange-blau-weiß), Schweden (weiß) und Südafrika (rot-gelb) her. Selbst bei unserer uruguayischen Schwestergesellschaft in Montevideo findet sich ein Sammelschiffchen nach deutschem Muster.

Technische Daten

32-Zentimeter-Sammelschiffchen

Stapellauf für den Prototypen unserer „32-Zentimeter-Klasse“ war im Jahr 1875, zehn Jahre nach Gründung der DGzRS. Damit sind die bekannten Sammelschiffchen unsere kleinsten und ältesten „Rettungseinheiten“.

Foto: Steven Keller

Eine Erfolgsgeschichte und viele Helfer

Schon im zehnten Jahr nach ihrer Einführung brachten die Sammelschiffchen mehr als 20.000 Mark, im Jubiläumsjahr der DGzRS 1890/91 wurde mit mehr als 27.000 Mark ihr höchstes Ergebnis vor dem Ersten Weltkrieg registriert. Nach dem Zweiten Weltkrieg mangelte es zunächst an „Baumaterial“ und einer „Werft“. 1950 war die Flotte wieder im Einsatz und erlöste 4.000 Mark. Von nun an ist der Erfolg ungebrochen. 1958 überschritt der Erlös 100.000 Mark, 1971 eine halbe Million, 1974 erstmals eine Million, und heute sind es bis zu einer Million Euro jährlich.

Damals wie heute betreuen unermüdliche Ehrenamtliche die Sammelschiffchen von der Waterkant bis zum Alpenrand. Genauso wichtig sind die Aufsteller selbst, die ihre Kundschaft, Patienten und Gäste mit „ihrem“ Sammelschiffchen auf die Arbeit der Seenotretter hinweisen. Regelmäßig wird die „Fracht“ gelöscht und stets nach dem Vier-Augen-Prinzip gezählt.

Wer Kapitän eines Sammelschiffchens werden möchte, braucht dazu weder einen eigenen Hafen noch ein Patent. Es genügt ein Ort, an dem viele Menschen verkehren, die es „beladen“. Hier können Sie ein Sammelschiffchen anfordern

Die „geschmackvollen Böte“ können auch für Geburtstage, Familienfeiern oder Firmenjubiläen ausgeliehen werden, um statt Geschenken um eine Spende für die Seenotretter zu bitten. Neben dem Münzschlitz tragen diese Schiffchen anstelle des klassischen Einfüllstutzens für zusammengerollte Banknoten einen geldscheinbreiten Schlitz mit gummibereiftem Rädchen zum leichteren Einzug – Handbetrieb, wie früher auf den Ruderrettungsbooten.

Sammelschiffchen aufstellen

Spenden mit Tradition: Geben Sie einem Sammelschiffchen langfristig einen Ankerplatz, oder fordern Sie es einmalig für einen besonderen Anlass an.

Sammelschiffchen für zuhause

Bestellen Sie ein Sammelschiffchen für zuhause und zeigen Sie Ihre Verbundenheit mit den Seenotrettern in Ihrem Wohnzimmer.

Von der Waterkant bis zum Alpenrand.
Jede Spende zählt.

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