In der Außenelbe macht die Besatzung des Seenotrettungskreuzers ANNELIESE KRAMER der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) Anfang Februar 2023 einen ungewöhnlichen Fund: Sie nimmt eine Art Boje mit wissenschaftlichen Instrumenten an Bord. Schnell stellt sich heraus: Das Gerät hat sich bereits Monate zuvor vor der Küste der Bretagne (Frankreich) gelöst und trieb bis nach Cuxhaven. Mit der Bergung haben die Seenotretter wichtige Daten für ein Forschungsprojekt gerettet.
Menschen aus Seenot retten oder havarierte Schiffe aus Gefahrensituationen befreien – das gehört zum Alltag der Seenotretter der DGzRS-Station Cuxhaven. Mitunter nimmt die Besatzung des Seenotrettungskreuzers ANNELIESE KRAMER auch treibende Objekte an Bord, damit sie keine Gefahr für die Schifffahrt sind. So ist es auch am 4. Februar 2023: Bei einer Kontrollfahrt auf der Außenelbe entdeckt die Crew um Vormann Hanno Renner einen Gegenstand im Wasser. „Wir nahmen an, dass es eine beschädigte Fahrwassertonne ist, und wollten sie einsammeln“, berichtet Hanno Renner.
Mit dem Tochterboot MATHIAS des Seenotrettungskreuzers bergen die Seenotretter die vermeintliche Tonne. Schnell ist klar: Das ist etwas anderes. Auf dem gelben Gerät mit rotem Auftriebskörper sind eine französische Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse vermerkt – Vormann Renner nimmt Kontakt auf.
Rund 1.100 Kilometer Luftlinie weiter westlich löst die Nachricht der Seenotretter Begeisterung aus. Der Fund vor Cuxhaven ist ein Forschungsgerät der Ingenieurshochschule ENSTA Bretagne (École nationale supérieure de techniques avancées) im bretonischen Brest. Damit und mit mehreren baugleichen Sonden erforschen Flore Samaran, Maëlle Torterotot und ihr Team die Geräusche von Meeressäugern im maritimen Nationalpark Iroise an der Westküste Frankreichs. „Das Gerät war eigentlich fest vor der Küste montiert“, erklärt Torterotot, „doch als Ende 2022 die Akkus gewechselt werden sollten, mussten wir feststellen, dass die Meeresströmung es losgerissen hatte.“
Forschungsboje treibt von der Bretagne nach Cuxhaven
Die Messdaten der Forschungsboje sind für das Projekt CETIROISE bestimmt, welches Aufschluss über die Verbreitung und Lebensweise bestimmter Wal- und Delfinarten geben soll. Diese Daten wähnte das Forschungsteam bereits verloren. Maëlle Torterotot: „Wir waren unheimlich aufgeregt, als wir erfuhren, dass die DGzRS unser Gerät gefunden hatte. Wir hätten nie gedacht, dass es so eine weite Reise hinter sich bringt.“
Welchen Weg das Forschungsgerät von der Bretagne nach Cuxhaven zurückgelegt hat, kann in der von der DGzRS betriebenen deutschen Rettungsleitstelle See, dem Maritime Rescue Co-ordination Centre (MRCC) Bremen, berechnet werden. Anhand eines speziellen Computerprogramms zur Suchgebietsplanung im Falle über Bord gegangener Schiffbrüchiger lassen sich die Drift- und Strömungsverhältnisse der Nordsee zurückverfolgen. Das Ergebnis: Die bretonische Boje kam definitiv durch den Ärmelkanal zur Kugelbake.
Auf dem Postweg gelangt das Gerät zurück an seinen Ursprungsort. Die Freude bei Maëlle Torterotots Team ist groß: Die verbaute Speicherkarte lässt sich tatsächlich noch auslesen. „Wir senden den Seenotrettern ein riesengroßes ‚Dankeschön‘“, sagt Tortoretot. „Sie hätten das Gerät einfach im Wasser lassen können, aber haben entschieden, es zu bergen. Das sichert uns wichtige Daten für unser Projekt.“
Und noch eine spannende Info verraten die gesicherten Daten: Die Forschungsboje ist am 9. Dezember 2022 auf ihre Reise gegangen – also fast exakt zwei Monate, bevor die Crew der ANNELIESE KRAMER sie wieder aus der Nordsee gefischt hat.