Christian Stipeldey

Christian Stipeldey

Georg Lienke und die Seenotretter verbindet die Liebe zur See sowie die enge Verbundenheit mit der Natur und den Elementen. Ihn begeistert die Idee, die die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) seit ihrer Gründung 1865 trägt: auf Geld vom Staat ganz bewusst vollständig zu verzichten, um in jeglicher Hinsicht unabhängig zu sein für einen einzigen Zweck – Menschen aus Seenot zu retten, Berufsseeleute ebenso wie Wassersportler und ohne Ansehen der Person und Ursache. „Wir können stolz sein auf unser Gemeinwesen, in dem das möglich ist – seit fast 160 Jahren“, sagt der Berliner.

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Hand aufs Herz: Wie lange halten Sie es ohne das Meer aus?

Nicht lange. Die Frage trifft ganz gut, wie es in mir aussieht. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen pathetisch, aber: Mich ruft die See. Schon immer zieht es mich hinaus, es ist eine Art See-Fernweh.

Sind Sie einfach ein naturverbundener Mensch, dem es am Wasser gefällt? Oder ist da noch etwas anderes, ist da mehr? Meer?

Ich bin ein Draußen-Mensch und liebe das Meer und die Natur. Mir gefällt es, autark zu sein. Da passt die Liebe zum Grillen gut hinein, etwas über einem echten, offenen Feuer zu garen. Das hat etwas Ursprüngliches. Grillen ist für mich kein Lifestyle, ich mache daraus kein Ritual. Ich grille sehr gerne klassisch Fleisch und Wurst, aber auch Mais, grünen Spargel, Aubergine, Paprika. Die Krönung ist es, in einer tollen Umgebung zu grillen, etwa an der Küste. Feuer und Wasser, das gehört zusammen.

Aber es scheint nicht bloß das Element Wasser zu sein, das Sie lockt. Sie haben gesagt: Die See ruft Sie, also das Meer. Was genau ruft da?

Das andere Ursprüngliche, das offene, weitgehend unbeherrschte Meer. Wasser ist Leben. Das gehört zur menschlichen Natur. Küsten- und Flussgebiete wurden früh besiedelt. Mich zieht es an die Küste – und hinaus auf See. Dort lernt man Demut. Das schult fürs Leben. Die See ist viel größer als man selbst.

„Auf See zeigt sich, aus welchem Holz man geschnitzt ist. Der Charakter wird deutlicher. Da gibt es keine Ausreden. Da kann man schreien oder heulen – es ist nur die See, dein Schiff und du.“

Die Natur ist stärker als wir. Ich habe auch gelernt, wann ich im Hafen bleibe.

Seit Jugendtagen machen Sie Wassersport, haben Ihr Hobby zum Beruf gemacht, sind als Segellehrer und Skipper oft nicht in Berlin, sondern hauptsächlich auf Nord- und Ostsee unterwegs. Wie sieht das aus?

Beruflich bin ich auf verschiedenen Yachten unterwegs. Privat segle ich eine Granada 31, der Motor ist mit 13 PS ein klassischer Flautenschieber. Mein Segelboot ist zum Kreuzen gebaut. Ich habe grundlegend segeln schon als Kind gelernt. Ich versuche, viel davon weiterzugeben. Klar: Segeln ist anstrengend, aber auch unglaublich erfüllend. Der Motor sollte nur bei Windstille laufen, nicht bei Wind gegenan. Wer mit einem Segelboot unterwegs ist, muss segeln können. Es ist gefährlich zu denken, dass man sich immer mit Motor helfen kann. Wenn der ausfällt, muss man segeln können.

Für Seeleute gilt ganz selbstverständlich die Maxime „Safety first“. Auch für Sie scheint Sicherheit große Bedeutung zu haben. Hat Sie das zu den Seenotrettern geführt?

Schon meine beiden Onkel waren Segler, und unter meinen Freunden und Bekannten sind ein paar Kapitäne. Die Seenotretter gehören für mich seit jeher dazu.

Zwei halbierte Männer, die zu einem Mann zusammen geschnitten wurden. Die linke Hälfte zeigt einen Seenotretter, die rechte Hälfte einen Mann in Freizeitkleidung.

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„Förderer zu sein, sollte für Wassersportler selbstverständlich sein. In der Not verlassen wir uns auf die Seenotretter. Deshalb sollten sie sich auch auf uns verlassen können.“

Ich bin den Seenotrettern gedanklich schon sehr lange verbunden und Förderer. Unsere kleine Tochter ist auch Förderin, seit sie neun Tage alt war. Aber ich wollte es nicht bei Spenden belassen. Früher dachte ich, dass man an Land nicht mehr für die Seenotretter tun kann. Aber ehrenamtliche Mitarbeiter der DGzRS haben mir von der Möglichkeit erzählt, auf Messen, bei Veranstaltungen oder mit Vorträgen die Seenotretter zu vertreten. So bin ich selbst Ehrenamtlicher geworden. Und Teil der Seenotretter-Familie. Wir Ehrenamtlichen in Berlin sind ein tolles Team, das ich sehr schätze.

In welcher Form engagieren Sie sich in Ihrem Ehrenamt am Land? Und wie reagieren die Menschen fern der Küste darauf?

Ich betreue Sammelschiffchen. Ich trage im Vereins- und Segel-Umfeld die Idee weiter. Und ich vertrete die Seenotretter auf Veranstaltungen, direkt am Infostand, aber auch in Online-Vorträgen während der Coronavirus-Pandemie. Meist überzeugt dann ebenfalls die Idee die Menschen.

Die Idee der Seenotretter: Was bedeutet das konkret für Sie? Was vermitteln Sie Menschen, die die DGzRS nicht kennen?

Eine Frage kommt immer: „Wieso?“ – In Variationen: „Wieso seid ihr spendenfinanziert?“ „Wieso nehmt ihr kein Geld vom Staat?“ „Wieso sollte ich etwas beitragen?“ Teil der Idee ist ja die Antwort darauf: Unabhängigkeit. Ein anderer Teil ist das Altruistische: Die Seenotretter wissen, dass es immer Menschen geben wird, die sich auf See aus ihrer Not nicht selbst befreien können. Und das nehmen sie nicht hin, sondern begeben sich selbst in Gefahr, um andere zu retten. Dass sie früher hinausgerudert sind, kann man sich heute kaum vorstellen. Die moderne Technik erleichtert vieles – aber nicht alles.

„Nach wie vor entscheiden sich die Seenotretter aktiv dafür, mitten in einem Sturm hinauszufahren. Es gibt nicht viele Menschen, die so handeln. Das muss man unterstützen.“

Was ist aus Ihrer Sicht für die Seenotretter die wertvollste Unterstützung der Menschen an Land?

Um die Unabhängigkeit der DGzRS langfristig zu wahren, sind regelmäßige Spenden besonders wichtig, weil sie die notwendige Planungssicherheit geben. Aber wenn wir Infostände machen, geht es nicht unbedingt darum, im ersten Schritt immer sofort neue regelmäßige Förderer zu gewinnen, sondern die Idee weiterzutragen. Deshalb mache ich das mit ganzem Herzen. Ich könnte nicht Menschen von etwas überzeugen, das sie nicht wollen und von dem ich selbst nicht überzeugt bin. Ich will ihnen die Idee erzählen. Wenn sie dann Geld spenden, ist das toll. Und wenn sie sich ehrenamtlich engagieren, auch. Egal ob sofort oder erst in zehn Jahren. Ich kann nur den Samen säen. Und es gibt viele Möglichkeiten, zu helfen. Helfen kann jeder – dieser alte Leitspruch der DGzRS stimmt: regelmäßige Spende, Sammelschiffchen, Geburtstagsfeier, Firmenjubiläum, und, und, und ... Diese Freiheit, den persönlichen Spendenweg zu wählen, die Freiwilligkeit, mit der man jederzeit beginnen, aber auch wieder aufhören kann zu spenden – das alles sind große Argumente, die viele Menschen am Infostand überzeugen.

Berichten Sie auch aus erster Hand, also von Ihren Erfahrungen auf See?

Ja, ich war tatsächlich schon einmal selbst auf die Seenotretter angewiesen. Obwohl ich ganz gut wusste, was zu tun war, war das ein irres Erlebnis. Nicht falsch verstehen: Ich brauche das nicht wieder. Aber es ist schön zu wissen, wie die Arbeit der Seenotretter aus der Perspektive der Geretteten aussieht.

Was war passiert?

Mastbruch, bei Nacht, allein kein Fall für Mayday. Aber der Mast war ungünstig gebrochen, er pendelte stark. Das Boot krängte von 60 Grad auf der einen zu 60 Grad auf der anderen Seite. Wir waren eine sehr erfahrene Crew und wussten, was zu tun war, wurden aber mit der Zeit auch seekrank, was sehr gefährlich sein kann. Dann streikte der Diesel: Maschinenschaden. Als Nächstes verloren die Batterien immer mehr Leistung, wir konnten nicht mehr richtig kommunizieren. Wir mussten also Mayday funken.

„Der Seenotrettungskreuzer BREMEN hat sich schnell gemeldet. Über Funk kam nur: „Wir kommen!“ Sehr ruhig und gefasst, das hat mich beeindruckt. Und es war sehr beruhigend.“

Haben Sie eine Erkenntnis aus diesem Notfall gezogen, die Sie vielleicht sogar weitergeben?

Dass ich die Notantenne mit einem Bootshaken noch weiter oben laschen muss. Es hat auch so geklappt, aber das geht noch besser. Fangen der Wurfleine will auch gelernt sein. Ich war beeindruckt, wie ruhig und präzise diese mir, trotz der ruppigen Bedingungen, zugeworfen wurde. Und bei unserer Havarie hat sich bestätigt, was auf See grundsätzlich gilt, für alle Fahrensleute: Trotz bester Vorbereitung und guter Seemannschaft kann ein relativ kleines Problem schnell zu einer großen Gefahr werden. In meiner Ausbildung vermittle ich immer, dass man als Segler absolut sicher sein muss, auch alleine mit einer Notsituation klarzukommen. Aber es ist sehr beruhigend zu wissen, dass die Seenotretter da sind, wenn Plan C oder Plan D fehlschlägt. Mit der Hilfe der Seenotretter dauerte die ganze Havariesituation immerhin auch noch gute sechs Stunden, bis wir sicher im Hafen waren.

Am Infostand begegnen Sie sicherlich vielen Menschen, die mit Seefahrt und Wassersport selbst gar nicht zu tun haben. Wie begeistern Sie die für die Seenotretter?

Viele Menschen, mit denen ich ins Gespräch komme, sind keine Wassersportler, richtig. Aber sie haben die Sehnsucht nach dem Meer. Und ich glaube, dass schwingt auch mit, wenn Menschen aus dem ganzen Land für die Seenotretter spenden. Ich spüre immer wieder, dass die Finanzierung der DGzRS eine wirklich gesamtgesellschaftliche Leistung ganz unterschiedlicher Menschen ist. Es sind längst nicht immer Leute wie ich, die einen direkten Nutzen aus der Arbeit der Seenotretter ziehen können. Es ist auch Tante Erna im Ruhrpott, die Currywurst verkauft, die das Sammelschiffchen dastehen hat, weil sie die Idee einfach toll findet.

„Je länger man über die Seenotretter als Organisation nachdenkt,
desto beeindruckender ist das.“

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Mit kleinen Spenden Großes schaffen! Jahr für Jahr sind die Seenotretter etwa 2.000 Mal auf Nord- und Ostsee im Einsatz – rund um die Uhr und bei jedem Wetter. Die Seenotretter benötigen dafür modernste Technik und äußerst seetüchtige, besonders leistungsfähige Schiffe, um die Risiken so gering wie möglich zu halten. Wenige Neubauten werden vor ihrer Indienststellung so „auf Herz und Nieren“ getestet wie unsere Rettungseinheiten.

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Ralf Baur

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