Auf Hiddensee geht eine Seenotretter-Ära zu Ende

Erich Albrecht (75) ist seit fast einem halben Jahrhundert freiwilliger Seenotretter auf Hiddensee. Mehr als 30 Jahre lang leitete er die Geschicke der Rettungsstation Vitte. Jetzt tritt er ab und gibt das Ehrenamt in jüngere Hände: Seit dem 31. Januar ist Carsten Berlin (52) neuer Vormann der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) auf der Ostseeinsel.

Erich Albrecht lebt seit 1949 auf Hiddensee . Dort ist er aufgewachsen, verliebte sich und gründete eine Familie. Zu dieser Zeit lag die Insel auf dem Gebiet der DDR. Zwar war die dortige Küste ab Anfang der 1960er Jahre nicht mit Stacheldraht, Todesstreifen und Selbstschussanlagen gesichert. Dennoch war sie eine Grenze, ein möglicher Ausgangspunkt für eine Flucht in den Westen. Deshalb achtete der Staat genau darauf, wen er auf See hinaus ließ. Fischer und Wassersportler benötigten eine Genehmigung, die lediglich „politisch unauffällige“ Menschen erhielten. Dadurch war der Schiffsverkehr stark eingeschränkt, vor Hiddensee war im Vergleich zu heute wenig los: „Wir haben mal den einen oder anderen Fischer eingeschleppt, aber bis zur Grenzöffnung hatten wir kaum etwas zu tun“, erinnert sich Erich Albrecht. 

Heute fahren die freiwilligen Seenotretter der Ostseeinsel in ihrem Revier jedes Jahr rund 100 Einsätze, die Station gehört zu den einsatzreichsten der DGzRS. Viele davon sind für die Besatzung des Seenotrettungsbootes NAUSIKAA Routine, aber manchmal geht es um Leben und Tod: „Vor einigen Jahren haben wir eine Segelyacht bei Windstärke 8 reingeholt, die Besatzung war völlig fertig. Als die Segler wieder festen Boden unter ihren Füßen hatten, sind sie uns um den Hals gefallen – so erleichtert waren sie“, sagt Erich Albrecht und schmunzelt. Den 75-jährigen Insulaner selbst kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Er hat einfach schon viel auf See erlebt und durchlebt. Als Küstenkind und ehemaliger Seemann ist er mit dem Meer verwachsen, er weiß um die Gefahren da draußen.

Ebenfalls an der Küste groß geworden, ist sein Nachfolger Carsten Berlin. Auf der Ostsee vor Warnemünde spürte der Sohn eines Kapitäns fast täglich die Gischt im Gesicht, wenn er mit dem Segelboot für Wettkämpfe übte. Als Jugendlicher und junger Erwachsener ersegelte er sich viele Medaillen, vor allem auf Bezirksebene. Wenn er heute rausfährt, sucht er Ruhe, die Gemeinschaft mit Freunden und Familie, nicht mehr den sportlichen Wettstreit: „Auf See komme ich runter, sie erdet mich“, sagt der Vater von drei Kindern. Das Hobby ist für den 52-Jährigen eine Auszeit von seinem anstrengenden Alltag als Geschäftsführer einer Hotelanlage und eines Appartementhauses auf Hiddensee.