Beruflich hatte der ehemalige Hochbauingenieur Günther Wieberneit eher mit der Bahn zu tun als mit der Seefahrt. Eigentlich aber pulsierte in seinen Adern Salzwasser. Sein letztes Boot, eine Hanseat 35, hat er zusammen mit seiner Frau bis ins hohe Alter gesegelt. Auch auf der legendären „Germania“ stand er am Ruder. Ob Ostsee, Kanaren oder Biskaya – auf See fühlte er sich wohl.

Er war das, was man wohl einen Perfektionisten nennt. Keine schlechte Eigenschaft für einen Ingenieur. Zudem gehörte er zu der Sorte Mensch, die nur dann redet, wenn es unbedingt erforderlich ist. Eine Eigenschaft, die an der Küste gar nicht so selten ist, auch bei uns an Bord. Zuverlässigkeit geht da vor Redseligkeit. 

Als seine Frau Elli wegen ihrer Erkrankung nicht mehr mitsegeln kann, hängt er sehr schweren Herzens sein heißgeliebtes Hobby an den Nagel und kümmert sich nur noch um sie, rund um die Uhr. Niemals erwartet er für das, was er tut, einen Dank. Das Foto jedoch, das die von ihm gespendete DGzRS-Rettungsweste mit seinem Namen zeigt, hat er nicht ohne Stolz doch aufgehängt.  

Günther Wieberneit am Ruder der legendären „Germania“.
Günther Wieberneit am Ruder der legendären „Germania“
Ein Seenotretter steht vor dem Seenotrettungskreuzer HANS HACKMACK. Er lächelt und trägt eine Rettungsweste.

Zuletzt leben sie gemeinsam zwischen Weser und Elbe, zur Nordsee ein Katzensprung. Sie haben keine Kinder und fragen sich beizeiten, was dereinst einmal mit ihrem Hab und Gut geschehen könnte. Keine leichte Frage, denn dabei geht es schließlich darum, wem man anvertrauen kann, was sich über ein ganzes Leben angesammelt hat. Nicht nur, aber auch auf dem Konto. Und nicht zuletzt geht es um die Frage: Wer kümmert sich eigentlich ganz zum Schluss um alles, wenn sonst keiner mehr da ist? Die Vorstellung, dass da wildfremde Menschen Zugang zu persönlichsten Dingen bekommen und ihnen keinerlei Wertschätzung entgegenbringen, ist für viele schwer erträglich. Also: Wem vertrauen?

Auf dem Wasser war absolut klar, wem Günther Wieberneit und seine Frau vertrauen: den Seenotrettern. Also warum nicht auch an Land? 2002 machen sie dann Nägel mit Köpfen: die DGzRS soll Schlusserbin werden, wenn der letzte gegangen ist. 

Nach dem Verlust seiner Frau ist er allein. Aber selbst in dunkelsten Zeiten scheint irgendwo die Sonne: Da ist diese Krankenschwester, die sich so rührend um seine Frau gekümmert und ihrerseits ihren Mann verloren hat. Sie lässt sich durch seine abweisende Fassade nicht abschrecken und bemerkt den liebevollen Kern dahinter. Einige Jahre später zieht er zu ihr, ganz in der Nähe. 

Nun ist eine derartige Konstellation nicht immer frei von Komplikationen, was das Erbe anbelangt. Nicht so bei Günther Wieberneit. Zum einen ist es für seine neue Lebensgefährtin eine Selbstverständlichkeit, die Entscheidung der Wieberneits zu respektieren. Zum anderen hat sie an Bord unserer HERMANN MARWEDE gemeinsam mit ihm selbst erleben können, wofür wir die uns anvertrauten Mittel verwenden.

Der Seenotrettungskreuzer HERMANN MARWEDE fährt durch schwere See.
Der Seenotrettungskreuzer HERMANN MARWEDE bei schwerer See in der deutschen Bucht | Foto: ypscollection.de

Auf unserem größten Seenotrettungskreuzer allerdings passiert dann auch etwas gänzlich Unerwartetes: Im berüchtigten Hamburger Loch vor Helgoland, das Günther Wieberneit mit dem eigenen Boot ungezählte Male unbeschadet durchsegelt hat, wird er plötzlich grün im Gesicht. Ein Seenotrettungskreuzer bewegt sich eben doch anders als eine Hanseat 35. 

Wir sind Günther Wieberneit auch im Nachhinein unendlich dankbar. Er bleibt unvergessen und wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

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