Vormannsamt bleibt in der Familie

Marcus Baar und Alexander Klingenborg verbindet viel: Beide sind Muschelfischer und in Norden in Ostfriesland groß geworden. Beide engagieren sich seit ihrem 16. Lebensjahr als freiwillige Seenotretter. Und beide sind noch keine 30, als sie das Vormannsamt in Norddeich übernehmen. Seit Anfang August leitet der 29-jährige Alexander Klingenborg die dortige Freiwilligen-Station. Zuvor hat dies fast zwei Jahrzehnte sein Onkel Marcus Baar getan, der als Rettungsmann an Bord bleibt.

Der neue Vormann der Freiwilligen-Station Norddeich, Alexander Klingenborg (l.) und sein Vorgänger Marcus Baar, bekleidet mit rotem Überlebensanzug, an Bord des DGzRS-Seenotrettungsbootes OTTO DIERSCH.

Für Alexander Klingenborg (l.) ist es eine große Ehre, neuer Vormann der Freiwilligen-Station Norddeich sein zu dürfen. Er ist seit August Nachfolger von Marcus Baar, der aus familiären Gründen das anspruchsvolle Ehrenamt abgegeben hat.

Marcus Baar und Alexander Klingenborg verbindet viel: Beide sind Muschelfischer und in Norden in Ostfriesland groß geworden. Beide engagieren sich seit ihrem 16. Lebensjahr als freiwillige Seenotretter. Und beide sind noch keine 30, als sie das Vormannsamt in Norddeich übernehmen. Seit Anfang August leitet der 29-jährige Alexander Klingenborg die dortige Freiwilligen-Station. Zuvor hat dies fast zwei Jahrzehnte sein Onkel Marcus Baar getan, der als Rettungsmann an Bord bleibt.

Schon als Kind stromert Alexander Klingenborg gern durch den Hafen von Norddeich. Dort beobachtet er die Fischer, wie sie ihre Netze reparieren, ihren Fang anlanden oder raus auf die Nordsee fahren. Manche nehmen ihn mit – so wie Dieter Baar, der Vater seines Onkels Marcus Baar. Alexander Klingenborg sieht, wie die Männer körperlich hart arbeiten müssen, Wind und Wellen ihre Kutter mitunter kräftig durchschütteln. Dennoch: „Ich wollte selbst unbedingt Fischer werden, zur See fahren“, sagt er zurückblickend.

Alle raten ihm ab, weil die wirtschaftliche Lage für die Fischer von Jahr zu Jahr schwieriger wird. Er lässt sich überzeugen, schließt eine Ausbildung zum Elektriker ab – und landet letztlich doch auf einem Muschelkutter. „Nach meiner Lehre fragte mich ein Kapitän, ob ich nicht zu ihm an Bord kommen möchte“, erinnert sich Alexander Klingenborg. Er sagt sofort zu und ist seitdem als Decksmann von montags bis donnerstags auf See. Er liebt seinen Beruf, die frische Luft – und die Ruhe. Bei allem Respekt, die er wie jeder Seemann vor den Naturgewalten hat, mag er es da draußen auch, wenn es ruppig ist und der Kutter ordentlich durchgeschaukelt wird. „Mir macht das nichts aus. Ich stehe dann immer in der ersten Reihe und schaue mir das Spektakel an“, sagt er mit einem Lächeln.

Wer solches Wetter kennt, um die Launen der See weiß und die anspruchsvollen Seegatten mit ihren gefährlichen Sandbänken und Riffbögen zwischen den Ostfriesischen Inseln bereits hunderte Male durchquert hat, ist bei den Seenotrettern besonders gern gesehen. Deren Arbeit lernt Alexander Klingenborg schon als Junge kennen: Tagsüber sieht er bei seinen Streifzügen durch den Hafen das Seenotrettungsboot CASSEN KNIGGE fest vertäut an der Pier liegen. Abends hört er gebannt seinem Onkel Marcus Baar zu, wie dieser von seinen Einsätzen als freiwilliger Rettungsmann und der großen Dankbarkeit der geretteten Menschen erzählt. Das ehrenamtliche Engagement für andere fasziniert Alexander Klingenborg. Er träumt davon, selbst einmal die CASSEN KNIGGE zu steuern oder gar Vormann zu sein.

Großer Zusammenhalt

Als er 16 wird, ist es so weit: Alexander Klingenborg wird Teil der Besatzung des Seenotrettungsbootes. Er lernt von den erfahrenen Bootsführern und seinem Onkel – zu diesem Zeitpunkt bereits seit sechs Jahren freiwilliger Vormann der Station – sowie bei verschiedenen Lehrgängen der DGzRS das Seenotretter-Handwerk.

Mittlerweile ist Klingenborg selbst seit 13 Jahren dabei und hat reichlich Erfahrung auf See gesammelt – als Rettungsmann und Fischer. Deshalb traut ihm die Mannschaft das Vormannsamt zu, auch wenn er mit seinen 29 Jahren der jüngste der Crew ist. Sein Vorgänger Marcus Baar war sogar erst 28, als er 2004 das Ehrenamt vom schwer erkrankten Johann „Opa“ Janssen übernommen hatte.

Genau wie Marcus Baar damals kann sich Alexander Klingenborg heute ebenfalls auf seine Kollegen verlassen. Der Zusammenhalt zwischen den 13 Rettungsleuten ist nach wie vor sehr groß: Junge und erfahrene Seenotretter arbeiten Hand in Hand, sie respektieren und vertrauen einander. Jeder übernimmt Verantwortung für das, was er am besten kann. Allen ist bewusst: Niemand kann allein etwas ausrichten – weder an Land noch auf See. Deshalb kann der neue Vormann jederzeit auf die Hilfe seines Vorgängers zählen.

Dieser freut sich auf mehr Zeit mit seiner Frau Britta sowie seinen Söhnen Julian (15) und Lukas (11). Denn als Stationsleiter hatte Marcus Baar für die Seenotretter „eigentlich immer“ zu tun, wie er uns vor fünf Jahren in einem „Längsseits“-Porträt erzählte (Ausgabe 1/2018, Seite 15). Er war wie Alexander Klingenborg nach ihm ebenfalls erst 16 Jahre alt, als er 1992 Rettungsmann wird. 2004 übernimmt der gelernte Fischer das Ruder in Norddeich, lenkt fast zwei Jahrzehnte die Geschicke der Station.

Neben den vielen erfolgreichen Einsätzen blickt Marcus Baar vor allem mit großer Zufriedenheit darauf zurück, dass in seiner Zeit als Vormann alle Seenotretter der Station stets unverletzt in den sicheren Hafen zurückgekehrt sind: „Es ging zum Glück immer alles gut. Doch die See ist nicht zu unterschätzen, es kann immer etwas Schlimmes passieren.“ Er wünscht seinem Nachfolger, dass dieser ebenfalls niemals eine solche Situation erleben muss – und ein gutes Händchen für den anstehenden Generationswechsel.

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